Grundsatzurteil lässt Brokkoli-Patent bröckeln

Seit Jahren wird über die Patente auf Züchtungsmethoden etwa bei Tomaten und Brokkoli gestritten. Jetzt hat die Große Beschwerdekammer des Europäischen Patentamts (hier der Hauptistz in Münchenl) entschieden. <ic:message key='Bild vergrößern' />
Seit Jahren wird über die Patente auf Züchtungsmethoden etwa bei Tomaten und Brokkoli gestritten. Jetzt hat die Große Beschwerdekammer des Europäischen Patentamts (hier der Hauptistz in Münchenl) entschieden. Quelle: EPA

10.12.2010  - 

Keine Patente auf konventionelle Züchtungsverfahren: Die Große Beschwerdekammer des Europäischen Patentamts (EPA) hat im Zuge ihres Verfahrens über das umstrittene Brokkoli-Patent eine erste Entscheidung gefällt. Demnach sind „im Wesentlichen biologische Verfahren“ bei der Entwicklung neuer Pflanzensorten nicht patentierbar. Gemeint sind damit sämtliche Kreuzungsschritte sowie die gezielte Auswahl der Nachkommen, selbst wenn dabei genetische Marker eingesetzt werden. Die EPA-Entscheidung beeinflusst grundsätzlich den Streit um das Brokkoli-Patent EP 1069819 und das Tomaten-Patent EP 1211926, auch wenn in den beiden Fällen noch weitere Entscheidungen ausstehen. Umwelt- und Verbraucherschützer wie auch Industrievertreter begrüßten die Entscheidung. Bundeslandwirtschaftsministerin Ilse Aigner bekräftigte ihre Forderung nach Änderungen der Europäischen Biopatent-Richtlinie.



 

Mit ihrem Grundsatzurteil schiebt das Europäische Patentamt einen ersten Riegel vor die zunehmenden Versuche von Konzernen, Pflanzen- oder Tiersorten zu patentieren, die durch konventionelle Zucht - also ohne Gentechnik- entstanden sind.  Zu dem am 9. Dezember veröffentlichten Schluss kam die Große Beschwerdekammer des EPA bei ihren Beratungen zu zwei Patenten auf spezielle Sorten von Brokkoli und Tomaten. Die umstrittenen Biopatente gelten als Präzedenzfälle und hatten in den vergangenen Monaten für Wirbel gesorgt (mehr...).

Konventionelles Kreuzen und Auswählen nicht patentierbar

In ihrer Entscheidung hat sich die Große Beschwerdekammer nun zunächst mit der Klärung des Begriffs von „im Wesentlichen biologische Verfahren" beschäftigt. Gemeint sind herkömmliche Züchtungsverfahren, die Kreuzungsschritte beinhalten, die das gesamte Erbgut verändern, sowie die Auswahl der daraus resultierenden Pflanzen durch die Züchter. All diese Schritte sind nach Ansicht des EPA nicht patentierbar, auch wenn in diesem Ablauf technische Verfahren eingesetzt werden, die die Kreuzung und die Auswahl von Züchtungsnachkommen erleichtern und beschleunigen. Hierzu zählen auch biotechnologische Methoden wie etwa molekulargenetische Marker, also Orientierungspunkte im Erbgut, die Zuchtbetriebe für markergestützte Auswahlverfahren (Smart Breeding) nutzen. Zwar könnten die genetische Marker selbst durchaus patentfähige Erfindungen darstellen,  „ihre Verwendung in einem wesentlichen biologischen Züchtungsverfahren macht dieses aber nicht patentierbar“, heißt es in der Mitteilung des EPA.

Entscheidungen in den Einzelfällen stehen noch aus

Die EPA-Grundsatzentscheidung gibt zunächst einmal eine Richtschnur vor, an der entlang nun die konkreten Brokkoli- und Tomaten-Einzelfälle behandelt werden sollen. Zumindest der Teil der bereits erteilten Patente, der die biologischen Verfahren betrifft, kann nun nicht mehr aufrechterhalten werden. Nicht geäußert hat sich das EPA jedoch zu der Frage, ob die Pflanzen oder die Samen als solche patentierbar sind. Darüber müsse nun die Technische Beschwerdekammer des EPA vor dem Hintergrund der neuen Vorgabe entscheiden.

Die Geschichte des Patentstreits um Tomate und Brokkoli ist lang: Das israelische Landwirtschaftsministerium hatte im Jahr 2000 ein Patent auf ein Zuchtverfahren von Tomaten mit geringem Wassergehalt angemeldet. Dagegen legte der niederländische Unilever-Konzern Einspruch ein. Im Jahr 2002 erteilte das EPA der Firma Plant Bioscience das Patent EP 1069819 auf ein Auswahlverfahren, mit dem bei der Zucht von Brokkoli der Anteil eines vermutlich Krebs vorbeugenden Inhaltsstoffs in den Pflanzen erhöht werden kann. Gegen dieses Patent legte ein Schweizer Unternehmen Einspruch ein.

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Der Patentberater von Greenpeace und Geschäftsführer von Testbiotech, Christoph Then, begrüßte die EPA-Entscheidung. Sie sei aber „nur ein Teilerfolg“. Weiter sei ungewiss, „ob nicht doch die Pflanzen, das Saatgut und die essbaren Teile des Brokkoli patentiert bleiben“. Greenpeace setzt sich ein für ein eindeutiges gesetzliches Verbot der Patentierung von Pflanzen und Tieren, von Züchtungsverfahren, Züchtungsmaterial und von Lebensmitteln, die aus Tieren und Pflanzen gewonnen werden. Auch Bundeslandwirtschaftsministerin Ilse Aigner begrüßte die Entscheidung. "Konventionelle Züchtungsverfahren müssen eindeutig von der Patentierung ausgeschlossen sein", sagte Aigner. "Wir dürfen nicht zulassen, dass es zu einer kommerziellen Privatisierung unseres Naturerbes durch die Hintertür kommt." Aigner setzte sich erneut für Änderungen  der EU-Richtlinie für Biopatente ein, die grundsätzlich die Patentfähigkeit von Pflanzen und Tieren bejaht. „Jetzt müssen wir uns auch mit der Reichweite von Patenten beschäftigen und zwar auch bei nicht-konventionell gezüchteten Nutztieren- und Nutzpflanzen. Hier lässt die europäische Biopatentrichtlinie großen Spielraum zu und ermöglicht nicht nur die Patentierung einzelner Pflanzen und Tiere sondern auch deren Nachkommen und Produkte“, so die Bundesministerin. 

Auch der deutsche Industrievereinigung Biotechnologie (DIB) hat an der Entscheidung nichts auszusetzen, sieht jedoch keine Lücken im geltenden europäischen Biopatentrecht. Der Schritt habe gezeigt, dass bestehende Regelungen im EU-Biopatenrecht ausreichend seien, um Unklarheiten über die Patentierbarkeit pflanzenbiotechnologischer Erfindungen zu lösen.  „Aus unserer Sicht bedarf es keiner Eingriffe des Gesetzgebers in bestehende Regelungen “, so DIB-Geschäftsführer Ricardo Gent.

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