1000-Genome-Projekt legt menschliche Vielfalt offen

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Das internationale "1000-Genome-Projekt" hat seine erste Zwischenbilanz vorgelegt. Dazu haben die Wissenschaftler 900 menschliche Genome nach kleinen Unterschieden durchmustert. Quelle: NIHGR

28.10.2010  - 

Jeder Mensch trägt durchschnittlich 300 Gendefekte in seinem Erbgut, darunter etwa 100 genetische Abweichungen, die mit Erbkrankheiten in Verbindung gebracht werden. Das ist ein Ergebnis des 1000-Genome-Projekts. Das internationale Konsortium hat nun im Fachjournal Nature (27. Oktober 2010, Bd. 467, S. 1061) die Auswertung der Resultate seiner Pilotphase veröffentlicht. Ziel des Mammut-Projektes ist es, die unzähligen genetischen Unterschiede von Menschen herauszuarbeiten. Unter der Beteiligung von Forschern aus Berlin, Heidelberg und Kiel wurden die Genome von 179 Menschen komplett sequenziert, bei knapp 700 Personen wurden einzig die Eiweiß-kodierenden Bereiche im Erbgut ausgelesen. Die Erkenntnisse sollen dazu genutzt werden, die Rolle von Genvarianten bei der Entstehung von Krankheiten zu erforschen. Bis Ende 2012 wollen die Wissenschaftler das Erbgut von 2500 Menschen aus fünf großen Bevölkerungsgruppen entziffern.

 

Der Evolutionsgenetiker Axel Meyer von der Universität Konstanz brachte es kürzlich bei einer Podiumsdiskussion in Berlin auf den Punkt: „Wir sind alle Mutanten“, betonte er in Anspielung auf die zahlreichen kleinen Unterschiede, die jeder Mensch in seinem Erbgut trägt. „Diese genetische Variation macht jeden von uns einzigartig“, unterstrich Meyer. Gemeint sind Veränderungen in einzelnen chemischen Bausteinen der menschlichen Erbinformation, den sogenannten Nukleotiden. Zwei Menschen unterscheiden sich etwa in jedem 1000. Baustein ihrer DNA.

Das 1000 Genome Projekt

Einen kompletten Katalog menschlicher Genvarianten wollen die neun Partner des 1000-Genome-Projekts erstellen. Ihren Fortschritt dokumentieren sie auch im Internet.

Zur Webseite des Projekts: hier klicken

Für Genomforscher liegt in diesen Einzelnukleotid-Unterschieden der Schlüssel, mit dem sich die Entstehung von Krankheiten wie Diabetes, Alzheimer oder Krebs untersuchen lässt. Aber auch größere Veränderungen sorgen für bisweilen folgenreiche Abwechslung im Genom, etwa Verdopplungen oder Umlagerungen ganzer Chromosomenregionen.

2500 Genome bis 2012

Die genetische Vielfalt des Menschen zu erfassen und frei zugänglich zu katalogisieren, mit diesem Ziel war 2008 das internationale 1000-Genomes-Project angetreten. Befeuert wurde die Initiative durch die rasanten Entwicklungen bei der ultraschnellen DNA-Entzifferung. Mit Sequenzierungsverfahren der neuesten Generation ist die Entschlüsselung eines menschlichen Genoms heute in wenigen Wochen zu schaffen. Noch um die Jahrtausendwende hatte die Sequenzierung des ersten Humangenoms Jahre gedauert (mehr...). Am 1000-Genome-Projekt beteiligt sind Genomforschungszentren in Amerika, Asien und Europa.Die 41. Folge von biotechnologie.tv ist eine Sondersendung zur Humangenomforschung.Quelle: biotechnologie.tv

Die Zahl 1000 wurde seinerzeit eher symbolisch gewählt. Inzwischen hat das Konsortium sein Ziel deutlich nach oben korrigiert: Bis 2012 soll das Erbgut von 2500 Personen aus 27 verschiedenen Bevölkerungsgruppen entziffert werden. In Deutschland sind Wissenschaftler des Max-Planck-Instituts für molekulare Genetik (MPIMG) in Berlin, des EMBL in Heidelberg sowie der Christian-Albrechts-Universität zu Kiel an dem Mammutprojekt beteiligt.  Das Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) unterstützt die Wissenschaftler im Rahmen der Initiative Medizinischen Genomforschung, NGFN-Plus, mit 4,9 Millionen Euro (mehr...). Den deutschen Löwenanteil haben dabei die Berliner Entzifferer um Ralf Sudbrak geliefert: "In der Pilotphase wurden am MPIMG die Genome von elf Personen untersucht", sagt Sudbrak und fügt hinzu: "Auch in der Hauptphase des Projektes werden wir mindestens fünf Prozent aller Projektdaten generieren."

Erbgut von 900 Menschen gründlich analysiert

Die nun in Nature (27. Oktober 2010, Bd. 467, S. 1061) vorgestellten Daten fassen die Resultate aus der Pilotphase des 1000-Genome-Projekts zusammen. Insgesamt wurden die Genome von 179 Personen komplett sequenziert. Bei zusätzlich 697 Personen haben die Forscher nur die Erbgutbereiche ausgelesen, die den Bauplan für Proteine darstellen (Exon-Sequenzen). In der Summe wurden damit fast fünf Billionen DNA-Buchstaben entziffert.  Dadurch konnten die Forscher nun mehr als 8 Millionen bisher unbekannter Nukleotid-Unterschiede im Erbgut, sogenannte SNPs (sprich „snips“) aufspüren.Wie die Forscher schreiben, umfasst die Projektdatenbank damit bereits jetzt schon mehr als 95 Prozent aller heutzutage zu messenden Genvarianten. Die Forscher gehen davon aus, dass sie bis zum Abschluss des Mammut-Projektes im Jahr 2012 bis zu 99 Prozent der Varianten identifiziert haben werden. Schon jetzt bietet der Varianten-Katalog überraschende Einblicke: So konnten die Wissenschaftler zeigen, dass jeder Mensch zwischen 250 und 300 genetische Abweichungen trägt, die einen Gendefekt zur Folge haben.

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Weiterhin besitzt jeder von uns zwischen 50 und 100 genetische Variationen, die mit verschiedenen Erbkrankheiten assoziiert sind. Da jeder Mensch zwei Kopien eines Gens besitzt, bleiben solche Mutationen aber meist folgenlos. Der größte Teil der Genvarianten, etwa 85 bis 90 Prozent, findet sich bei allen Menschen weltweit. Aus zehn bis 15 Prozent der genetischen Variation lässt sich jedoch die Herkunft eines Menschen aus einer bestimmten Bevölkerungsgruppe ableiten.

Phänotypische Daten miteinbeziehen

Der nun vorliegende umfangreichste Genvarianten-Katalog soll nun die Erforschung von Krankheiten befeuern und den Weg für eine auf den einzelnen Patienten maßgeschneiderte Medizin ebnen. Für Hans Lehrach vom Max-Planck-Institut für Molekulare Genetik muss dazu neben der genetischen Information auch der Phänotyp des jeweiligen Patienten mitberücksichtigt werden, etwa Daten über dessen Gesundheitszustand. "Die rasante technologische Entwicklung erlaubt Initiativen wie das von uns initiierte Treat1000-Projekt, das neue Möglichkeiten für eine personalisierte Medizin schaffen soll. Dabei sollen in den nächsten Jahren die Genome von Tausend Tumorpatienten sowie das veränderte Genmaterial ihrer Tumore sequenziert werden", so Lehrach.

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