Eiweißfabriken in Aktion: Molekulares Treiben gefilmt

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Dieses Bild zeigt eine Untereinheit eines Ribosoms (blau). Durch eine Stelle der Proteinfabrik werden Transfer-RNAs (grün, violett) hindurchgeschleust. Sie haben die Aminosäuren im Gepäck. Quelle: Holger Stark/MPI für biophysikalische Chemie

20.07.2010  - 

Forschern am Göttinger Max-Planck-Institut für biophysikalische Chemie ist es gelungen, den Proteinfabriken der Zelle beim Bau von Eiweißmolekülen zuzusehen. Mithilfe der zeitaufgelösten 3D-Kryo-Elektronenmikroskopie haben sie einen faszinierenden Film vom molekularen Treiben in den Ribosomen zusammengestellt. Die Forscher berichten im Fachjournal Nature (15. Juli 2010, Bd.466;S.329) von ihren aufwendigen Filmarbeiten.  Aus zwei Millionen elektronenmikroskopischen Ribosomen-Einzelbildern berechneten Computer einen kurze Filmsequenz. Sie zeigt, wie Aminosäure-Transporter während der Proteinproduktion durch das Ribosom geschleust werden und dabei einzelne Aminosäuren nach und nach aneinandergekettet werden. Die Erkenntnisse könnten dabei helfen, neue Antibiotika zu entwickeln.

Ribosomen sind die Proteinfabriken der Zelle. In ihnen wird der von den Genen abgeleitete Bauplan interpretiert und in Eiweiße, die universellen Werkzeuge der Zelle, übersetzt. Ribosomen sind molekulare Maschinen, die recht komplex aufgebaut sind: Sie bestehen aus über 50 Proteinkomponenten und mehreren Ribonukleinsäure-Molekülen. Bereits seit zehn Jahren wissen Forscher, wie ein Ribosom aussieht.  Die Strukturbiologen Venkatraman Ramakrishnan, Thomas Steitz und Ada Yonath gelang es, ihre Struktur mithilfe der Röntgenkristallografie aufzuklären. Dafür wurden sie 2009 mit dem Nobelpreis für Chemie ausgezeichnet (mehr...).

Ribosomen in Bewegung
Doch atomar aufgelöste Kristallstrukturen von Ribosomen sind starr: Sie zeigen nur statische Momentaufnahmen. Wie bei echten Maschinen sind die beweglichen Teile der Nanomaschine Ribosom jedoch ständig in Bewegung. Ihre genaue Funktionsweise und Dynamik erschließt sich auch hier erst durch genaue Betrachtung während des Betriebs. Göttinger Max-Planck-Forscher um Holger Stark und Marina Rodnina (zum Forscherprofil: hier klicken) haben jetzt den Ribosomen erstmals bei der Arbeit zugeschaut. Ihr Kurzfilm eines Ribosoms in Aktion zeigt faszinierende neue Einblicke in die Funktionsweise der Proteinfabrik.

Eiweißbau im Film

Zur Filmsequenz der Göttinger Forscher mit den "Ribosomen in Aktion": hier klicken

Zur Webseite der Arbeitsgruppe von Holger Stark: hier klicken

Dreidimensionale Kryo-Elektronenmikroskopie

Sichtbar gemacht wurden die Vorgänge mithilfe der 3D-Kryo-Elektonenmikroskopie und einer Vielzahl an schockgefrorenen Ribosomen. Zunächst setzte Starks Team dazu im Reagenzglas mit Millionen Ribosomen die Eiweißherstellung in Gang. „Durch extrem schnelles Einfrieren zu verschiedenen Zeitpunkten können wir dann die molekulare Maschinerie während unterschiedlicher Arbeitsschritte stoppen“, erläutert Max-Planck-Forscher Holger Stark. „Das Elektronenmikroskop liefert uns mit diesen Proben eine Serie von Aufnahmen der Ribosomen während verschiedener Phasen der Proteinproduktion“, so Stark. Dabei unterscheiden sich die Ribosomen von Schnappschuss zu Schnappschuss in ihrer räumlichen Struktur. Mehr als zwei Millionen verschiedene elektronenmikroskopische Bilder der Ribosomen haben die Strukturbiologen aufgenommen. Mehre Monate Rechenarbeit waren nötig, um die Bilder nach ihrer Ähnlichkeit in Gruppen zu sortieren. Diese Gruppen entsprechen den verschiedenen Arbeitsschritten der Proteinfabrik während der Proteinproduktion.

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Im nächsten Schritt erfolgten die computergestützten Berechnungen der dreidimensionalen Strukturen dieser Ribosomen-Gruppen. Diese Strukturen wurden schließlich so sortiert, dass die Reihenfolge der Bilder die dynamischen Abläufe am Ribosom wiedergibt.

tRNAs auf ihrem Weg durch das Ribosom verfolgt

Und tatsächlich: 50 Strukturen des Ribosoms in verschiedenen Zuständen der Proteinsynthese zeigen den Forschern, welchen Weg die Transporteure der Aminosäuren, die sogenannten Transfer-RNAs , während der Proteinproduktion durch das Ribosom nehmen. Wie ein Fließband wird die Blaupause für die Proteinsynthese, die Boten-RNA (mRNA), durch das Ribosom hindurchgeschleust. Dabei wird das fadenförmige mRNA-Molekül in Schritten von jeweils drei Nukleinsäurebasen abgetastet; die Tripletts werden von den passenden tRNAs abgelesen, die eine bestimmte Aminosäure binden. Die Aminosäuren werden nacheinander zu einer Kette verknüpft und ergeben schließlich ein neues Proteinmolekül. Haben die tRNAs ihre Aminosäure-Fracht am Ribosom "abgeliefert", werden sie freigesetzt. Die Arbeitsweise des Ribosoms im Detail zu kennen, ist für die Medizin von großer Bedeutung. Bestimmte Antibiotika wirken deshalb so erfolgreich, weil sich Ribosomen von Bakterien und höheren Organismen in wichtigen Details unterscheiden. Solche Antibiotika hemmen nur die bakterielle Proteinfabrik, die Ribosomen höherer Zellen dagegen bleiben verschont. Ein genaues Verständnis der Struktur und Funktion des Ribosoms ist daher unerlässlich, um zukünftig neue Antibiotika entwickeln zu können.

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