Ethikrat: Biobank-Geheimnis soll biologische Daten schützen

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Zusammen präsentierten Ethikrat-Geschäftsführer Joachim Vetter mit Regine Kollek und Jochen Taupitz in Berlin die Stellungnahme des Gremiums zu Biobanken in der Forschung. Quelle: Ethikrat

22.06.2010  - 

Um die Besonderheiten von komplexen Erkrankungen wie etwa Krebs zu verstehen, müssen Forscher Tausende von Patienten vergleichen. Dazu sind große Sammlungen mit biologischen Blut- oder Gewebeproben notwendig, die bei Bedarf analysiert werden können. Um die Anonymität der Patienten zu sichern und eine nachträgliche Identifizierung zu verhindern, soll es künftig ein Gesetz geben. Das hat der Deutsche Ethikrat jetzt in einer Stellungnahme gefordert. Ein zentraler Punkt dabei: eine Schweigepflicht für Forscher.



 

Um persönliche genetische Daten vor dem Zugriff unbefugter Dritter zu schützen, hatte die Bundesregierung in der vergangenen Legislaturperiode das Gendiagnostikgesetz (mehr...) verabschiedet, das sich auf medizinisch veranlasste Gentests beschränkt. Bereits vor der Bundestagswahl waren sich alle politischen Parteien einig, dass auch die in Forschungsprojekten aus Blut, Urin oder Gewebeproben gewonnenen genetischen Daten besonders schützenswert seien. Handlungsbedarf sehen die 26 Mitglieder des Deutschen Ethikrats jetzt, weil sich die Biobanklandschaft derzeit grundlegend verändert:

Humanbiobanken für die Forschung

Am 15. Juni 2010 veröffentlichte der Deutsche Ethikrat eine 61-seitige Stellungnahme zu Biobanken in der Forschung.

Text der Stellungnahme: pdf-Download

• Wegen des unstillbaren Datenhungers der Medizin werden die Biobanken immer größer. Als Beispiel nannte Ethikratsmitglied Regine Kollek in Berlin die Helmholtz-Kohorte (mehr...), in der Probenmaterialien und krankheitsrelevante Informationen von mittlerweile 200.000 freiwilligen Probanden gespeichert werden sollen, um die Entstehung von Volkskrankheiten verfolgen zu können.

• Die Biobanken vernetzen sich immer mehr. Hier nannte Kollek die EU-Initiative BBMRI (Link), in deren Zuge der zentralisierte Zugriff auf Informationen von bis zu 10 Millionen Patientenproben  und –Daten für Forschungszwecke ermöglicht werden soll.

• Die zunehmende Vernetzung in Kombination mit den immer besseren Auswertemethoden gestattet die Re-Identifikation der Probenspender, selbst wenn die Proben anonymisiert waren.

Ungehinderte Forschungsarbeit sicherstellen
Der  Deutsche Ethikrat hält deshalb gesetzliche Ergänzungen früherer Stellungnahmen des Nationalen Ethikrates und der Enquête-Kommission „Recht und Ethik der modernen Medizin“ des Deutschen Bundestages zu Biobanken für erforderlich. „Mit der empfohlenen gesetzlichen Regelung wollen wir zugleich den umfassenden Schutz der persönlichen Daten sowie eine ungehinderte Forschungsarbeit sicherstellen“, erklärte Ethikratsmitglied Jochen Taupitz bei der Vorstellung der Stellungnahme zu „Humanbiobanken für die Forschung“ am 15. Juni 2010 in Berlin.

Frühere Stellungnahmen des Nationalen Ethikrats

Schon der Nationalen Ethikrat hat während seiner Existenz von 2001 bis 2009 mehrere Stellungnahmen zu Biobanken, genetischen Untersuchungen und zur Diagnostik veröffentlicht.

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Kernpunkt des Papiers ist die Einführung eines Biobankgeheimnisses. Damit soll ein Zugriff Unbefugter auf die sensiblen Patienten- und Probandendaten verhindert werden. Als erstes Bollwerk soll eine Schweigepflicht und ein Zeugnisverweigerungsrecht für all jene gelten, die Biobanken zu Forschungszwecken betreiben und nutzen. Forschern ist es also verboten, die in Biobanken gespeicherten und verarbeiteten Informationen und Materialien weiterzugeben – außer für Forschungszwecke. Zugleich soll jeder Zugriff des Staates und von Personen und Institutionen außerhalb des Wissenschaftsbereichs verboten werden. So soll der wissenschaftliche Austauch ungehindert weiterlaufen, aber ein Missbrauch ausgeschlossen werden.

Blanko-Einwilligung der Probanden ermöglichen

Voraussetzung jeder Verwendung von Proben und Daten in Biobanken soll die Einwilligung der Spender bleiben. Anders als bisher sollen die Spender aber auch Blanko-Einwilligungen geben dürfen – also ihre Proben und Daten ohne Beschränkung auf ein bestimmtes Forschungsprojekt oder eine bestimmte Forschungsrichtung freigeben. Für die Forscher, die die Richtung ihrer Arbeit und demzufolge der Nutzung der Biobank nicht voraussagen können, wäre dies eine große Vereinfachung. Grundsätzlich werden auch heute schon in Biobanken alle personenbezogenen Daten von den Forschungsdatensätzen getrennt und unter einem Pseudonym gespeichert. Ob die Datensätze zusammengeführt werden dürfen, zum Beispiel, wenn die Forscher Kontakt zu den Spendern aufnehmen möchten, soll laut dem Ethikrat künftig eine Ethikkommission entscheiden.

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Groß schreibt der Ethikrat auch die Qualitätssicherung und die Transparenz der Biobanken. Deren Organisationsstrukturen und Verfahrensabläufe sollen nicht nur in regelmäßigen Abstanden begutachtet werden, sondern der Ethikrat fordert auch eine lückenlose Dokumentation aller Arbeitsabläufe sowie eine Darstellung der Aktivitäten in einem öffentlich zugänglichen Biobankregister. All diese Regelungen sollen nur für vernetzte Biobanken gelten, die also thematisch oder zeitlich so eingegrenzt sind, dass sie ihre Daten ohnehin nicht in großem Stile weitergeben.

Unberechtigten Zugriff aus sensible Daten verhindern

Die Forscher selbst begrüßten den Vorstoß des Bioethikrats. „Das vorgeschlagene Biobankgeheimnis hilft, Ängste vor dem unberechtigten Zugriff auf sensible Daten abzubauen, zum Beispiel von HIV-Infizierten, die der Forschung ihre Proben zur Verfügung stellen“, sagte Johannes Drepper, Sprecher der Technologie- und Methodenplattform für die vernetzte medizinische Forschung e.V.

Allerdings scheint was für Deutschland gut ist, für die internationale Zusammenarbeit eher hinderlich. Zur Sicherung des Biobankgeheimnisses beim Austausch von Proben und Daten mit Kooperationspartnern im Ausland empfiehlt der Ethikrat deutschen Forschern sich vertraglich zusichern zu lassen, dass diese das Biobankgeheimnis wahren. Zudem soll es ihnen untersagt werden, Informationen weiterzugeben, die zur Re-Identifzierung der Spender genutzt werden könnten.

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