Stimmungsaufheller Serotonin spielt Rolle bei Diabetes

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Zucker und Mäuse ohne Serotonin halfen, die Verbindung zwischen Diabetes mellitus und dem 'Wohlfühl'-Hormon Serotonin aufzudecken. Quelle: Nils Paulmann / Max-Planck-Institut für molekulare Genetik

03.11.2009  - 

Diabetes breitet sich in der industrialisierten Welt epidemieartig aus und ist mittlerweile die häufigste Stoffwechselerkrankung. Die Internationale Diabetes Föderation (IDF) schätzt, dass 2025 knapp 400 Millionen Menschen an einer Form der Diabetes leiden werden. Zusammen mit Kollegen aus Slowenien haben Berliner Wissenschaftler nun aufgeklärt, welche Rolle das Glückshormon Serotonin bei der Krankheit spielt. Es sorgt in der Bauchspeicheldrüse mit dafür, dass genug Insulin ausgeschüttet und damit der Blutzuckerspiegel kontrolliert wird. Nach der Veröffentlichung der Ergebnisse im Fachmagazin PloS Biology (Online-Veröffentlichung, 27. Oktober 2009) wollen die Wissenschaftler die Rolle des Hormons bei Diabetes und anderen Krankheiten noch genauer klären.


 

Serotonin ist bisher vor allem als Botenstoff im Gehirn bekannt. Der Neurotransmitter wandert von Nervenzelle zu Nervenzelle und reguliert Stimmung und Aggression. Viele Antidepressiva und auch die Partydroge Ecstasy wirken, indem sie die Serotoninausschüttung ankurbeln. Das Hormon findet sich aber auch außerhalb des Gehirns, zum Beispiel in den Beta-Zellen der Bauchspeicheldrüse, die für die Insulinausschüttung und damit für den Blutzuckerspiegel zuständig sind. Schon vor dreißig Jahren wurde Serotonin in der Bauchspeicheldrüse gefunden, doch was es dort zu suchen hat, blieb ein Rätsel. Wissenschaftler des Berliner Max-Planck-Instituts für molekulare Genetik haben es nun gelöst. Die Forscher sind Serotonin-Spezialisten. Zusammen mit Kollegen der Berliner Charite und der Freien Universität entdeckten sie im Jahr 2003 neben dem schon bekannten Serotonin-Gen ein zweites Gen, dass für die Bildung des Hormons verantwortlich ist. In der aktuellen Online-Ausgabe der Fachzeitschrift PloS Biology (Online-Veröffentlichung, 27. Oktober 2009) beschreiben die Forscher um Diego Walther und Nils Paulmann, dass Serotonin offenbar entscheidend an der Insulinproduktion beteiligt ist. Fehlt das Hormon in der Bauchspeicheldrüse, kommt es zu Diabetes.

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Dem internationalen Team aus Molekularbiologen gelang es auch, die Ursachen dafür zu finden. Dabei arbeiteten die Berliner Max-Planck-Forscher mit Marjan Rupnik zusammen, dem Leiter des Instituts für Physiologie im slowenischen Maribor - ehemals Gruppenleiter am Göttinger Max-Planck-Institut für biophysikalische Chemie - sowie mit Heidrun Fink, der Geschäftsführenden Direktorin des Instituts für Pharmakologie und Toxikologie der Veterinärmedizin der Freien Universität Berlin und deren Mitarbeitern.

Die Rolle des Serotonins bei Diabetes konnte aufgeklärt werden weil, die Berliner Forscher zuvor einen neuartigen Wirkmechanismus von Serotonin in Blutplättchen entschlüsselt hatten (Cell, Vol. 115, 2003, S. 851-862). Bei einer Verletzung setzen die Thrombozyten ein bestimmtes Eiweiße frei, den sogenannten von Willebrand-Faktor, der für die Verklumpung der Blutkörperchen und damit den Verschluss der Wunde sorgt. Das Serotonin sorgt dafür, dass die Blutkörperchen den Faktor freisetzen. Das Signal dafür gibt das Serotonin, indem es sich in der Zelle an bestimmte Eiweiße heftet. Die Berliner Forscher tauften diesen bisher unbekannten Vorgang "Serotonylierung".

Seotonin und - wie später entdeckt wurde - verwandte Hormone bekamen damit einen ganz neuen Stellenwert im Körper. Denn offenbar wirken sie nicht nur außerhalb der Zelle und übertragen Informationen, sondern sind auch in der Zelle aktiv. "Anders als lange angenommen wirken wasserlösliche Hormone wie Serotonin, Histamin und Catecholamine nicht nur über Rezeptoren auf der Zelloberfläche, sondern auch durch Monoaminylierung innerhalb von Zellen", so Walther.

Max-Planck-Institut für Molekulare Genetik
Das MPIMG ist eines der älteren Max-Planck-Institute. Gegründet 1964, arbeiten mittlerweile mehr als 500 Menschen an der Erforschung der Erbinformation und der Vorgänge in der Zelle.
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Monoamylierung ist der Oberbegriff für die Bindung eines Homons wie Serotonin an ein Eiweiß in der Zelle. Zu der Gruppe Hormone, die das vermögen, gehören neben Serotonin auch Histamin, Dopamin und Noradrenalin. Ähnlich wie die Phosphorylierung - ein anderer wichtiger Regulationsmechanismus in der Zelle - hat die Protein-Monoaminylierung tiefgreifende Auswirkungen auf vielfältige zellbiologische Prozesse und ist auch an der Entstehung mehrerer Krankheiten beteiligt. Doch viele Aspekte dieses Mechanismus liegen noch im Dunkeln.

Ein weiteres Stück des Monoamylierungs-Puzzles haben nun die Max-Planck-Forscher mit ihrer Entdeckung hinzugefügt. Sie konnten in den Beta-Zellen der Bauchspeicheldrüse beobachten, wie Serotonin ins Zellgeschehen eingreift. Ähnlich wie bei den Blutplättchen bewirkt das Hormon hier, dass bestimmte Stoffe ins Blut gegeben werden. Nur ist es diesmal Insulin. "Unter Normalbedingungen kontrolliert Serotonin so die Ausschüttung des Insulins, dem wichtigsten Hormon in der Regelung des Blutzuckerspiegels von Mensch und Tier", erläutert Walther. Auch bei Störungen des Serotoninspiegels, wie dies bei Mäusen der Fall ist, bei denen die verantwortlichen Gene lahmgelegt wurden, wird Insulin nach einer Mahlzeit nicht mehr in ausreichender Menge ausgeschüttet, der Blutzuckerspiegel steigt daher in ungesunde Höhe. Die Maus leidet an Diabetes. Kurios und für die Forscher bisher unerklärlich ist aber, dass der Mangel an Serotonin die Maus nicht beeinträchtigt. Die diabeteskranken Mäuse leben genauso lange und erfreuen sich ebenso bester Gesundheit wie ihre serotoningesättigten Artgenossen.

Als nächstes wollen die Wissenschaftler untersuchen, warum das so ist. Das Verständnis dafür könnte dazu beitragen, die Lebensqualität und -erwartung von Patienten mit Diabetes zu verbessern.

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