Biotechnologie in Österreich

Österreich hat eine große Vergangenheit in der biologischen Forschung. <ic:message key='Bild vergrößern' />

Österreich hat eine lange Tradition in der biologischen Forschung: Namen wie Gregor Mendel, Theodor Escherich, Ignaz Semmelweis oder Max Perutz stehen für wissenschaftliche Pioniertaten. Für die Regierung stellen die Life Sciences einen wichtigen Standortfaktor dar.  Dazu zählt auch die Biotechnologie. Angesichts vieler Forschungsstandorte von großen Pharmafirmen ist vor allem die medizinische Biotechnologie stark ausgesprägt.  Gegen die Grüne Gentechnik gibt es starke Widerstände. Aktualisierte Fassung November 2013

Unternehmenslandschaft

ÖsterreichLightbox-Link

Gerade in den vergangenen Jahren ist die Pharma- und Biotech-Branche in Österreich noch einmal stark gewachsen. Das belegen aktuelle Statistiken, die im Auftrag des Östereichischen Wirtschaftsministeriums von der Austria Wirtschaftsservice Gesellschaft mbH (AWS) herausgegeben wurden. Demnach sind die Life Sciences mit mehr als 21.000 Beschäftigten ein starker Wirtschaftsfaktor: Insgesamt 378 Firmen aus Pharma, Biotechnologie und Medizintechnik haben 2012 einen Umsatz von 9,1 Milliarden Euro erwirtschaftet. Die Biotechnologie spielt hierbei eine wichtige Rolle. Sie ist in Österreich stark medizinisch geprägt. Viele global agierende Firmen unterhalten eigene Forschungsabteilungen oder engagieren sich in Partnerschaften mit österreichischen Unternehmen oder Instituten.

Insgesamt gibt es in Österreich rund 157 Biotech- und Pharmafirmen (Stand: 2012).  Sie beschäftigen zusammen etwas mehr als 18.000 Arbeitnehmer und erzielen einen Umsatz von mehr als fünf Milliarden Euro. In den vergangenen Jahren ist der Sektor stetig gewachsen. Neue Firmen wurden beinahe monatlich gegründet. Allein in der Zeit zwischen 2010 und 2012 gründeten Unternehmer 17 neue Biotech- und 3 neue Pharmafirmen in Österreich. 

Auf Wachstumskurs ist auch der Biotech-Sektor. Das zeigen AWS-Daten, die nach den Kriterien der Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD) erhoben wurden. Im Jahr 2012 wurden in Österreich 95 Firmen gezählt, die sich vollständig oder zum ganz überwiegenden Teil den Methoden der Biotechnologie verschireben hatten. Diese sogenannten dezidierten Biotech-Unternehmen erzielten mit 1.565 Mitarbeitern einen Jahresumsatz von 187,2 Millionen Euro. Zwei Jahre zuvor waren es noch 77 Unternehmen, die mit 1.470 Angestellten einen Umsatz von 161 Millionen Euro erwirtschafteten. Die Biotechnologie-Unternehmen in Österreich sind besonders forschungsstark. Mit Forschungsausgaben von mehr als 131 Millionen Euro, investieren sie rund 70% des Umsatzes direkt wieder in die Entwicklung neuer Produkte und Dienstleistungen.

Die dedizierten Biotechnologie-Unternehmen in Österreich
20102012Veränderung
Anzahl7795+23%
Mitarbeiter1.4701.565+6%
Umsatz  (in Millionen Euro)161187,2+16%
F&E-Ausgaben (in Millionen Euro)173131,8-24%
Eingeworbenes Kapital (in Millionen Euro)7998,1+24%
Quelle: Life Science Report Austria 2013, AWS

Biotech-Branche ist geprägt von kleinen und mittelständischen Unternehmen

Die meisten österreichischen Biotech-Firmen sind von relativ kleiner Größe. Tatsächlich gehören 94 von 95 Unternehmen zur Kategorie der kleinen und mittelständischen Unternehmen. Mehr als die Hälfte der Unternehmen (53,7%) beschäftigen nicht mehr als 9 Mitarbeiter, die meisten anderen (37,9%) haben zwischen 10 und 50 Mitarbeiter. Noch größere Biotech-Unternehmen sind in Österreich eine Seltenheit: 5 beschäftigen 50-99 Mitarbeiter, 3 haben 100-249 Angestellte. Nur ein Großunternehmen (1,1%) bietet mehr als 250 Personen eine Beschäftigung.  

Ein Blick auf die Tätigkeitsschwerpunkte der Unternehmen zeigt: Die meisten Firmen richten ihr Augenmerk auf die Rote Biotechnologie. Insgesamt 68 von 95 dedizierten Unternehmen (71,6%) entwickeln neue biotechnologie Wirkstoffe, suchen nach diagnostischen Biomarkern oder arbeiten an Impfstoffen zum Schutz vor Krankheiten. Insgesamt zwei Produkte 'made in Austria' haben es bereits auf den Markt geschafft: ein Nasenspray der Firma Marinomed Biotechnologie GmbH sowie ein Impfstoff gegen Japanische Enzephalitis von der Intercell AG (heute Valneva Austria GmbH). Eine ganze Reihe österreichischer Unternehmen arbeitet als Dienstleister für andere Biotech-Firmen oder fungiert als reiner Dienstleister, wie etwa Auftragsforscher ohne eigene Entwicklungsprojekte. Diese 17 Unternehmen (17,9%) erbringen sogenannte nicht-spezifische Anwendungen. In der weißen Biotechnologie geht es hingegen um die Entwicklung neuer technischer Enzyme für die industrielle Produktion oder um das Schaffen neuer, besonders leistungsfähiger Biomaterialien. In Österreich haben sich immerhin acht Firmen (8,4%) einer solchen Aufgabe verschrieben. Auf den ersten Blick erscheint diese Zahl relativ niedrig - und tatsächlich spiegelt sie die Bedeutung des Sektors nicht vollständig wider. Weil industrielle biotechnische Anwendungen vor allem in großen Industrie-Unternehmen zum Einsatz kommen, finden dort auch viele der Arbeiten statt. Firmen, bei denen die Biotechnik jedoch nur einen kleinen Teil des Produktionsprozesses ausmachen, erfüllen nicht die Definition eines dedizierten Biotechnologie-Unternehmens und blieben daher in der Umfrage von aws unberücksichtigt. Die Grüne Biotechnologie spielt in Österreich nur eine untergeordnete Rolle. An neuen Methoden zur biotechnischen Verbesserung der Pflanzengesundheit oder der Entwicklung neuer Nutzpflanzen arbeiteten nur zwei (2,1%) der 95 dedizierten Biotech-Unternehmen in der Alpenrepublik.

Tätigkeits-Schwerpunkte der österreichischen dedizierten Biotech-Unternehmen
20102012Veränderung
Gesundheit und Medizin (Rote Biotechnologie)5268

+31%

Industrielle Anwendungen (Weiße Biotechnologie)68+33%
Landwirtschaft (Grüne Biotechnologie)22--
Nicht-spezifische Anwendungen1717--
Quelle: Life Science Report Austria 2013, AWS

Gut gefüllte Wirkstoffpipeline

Die Zukunft von Unternehmen in der Roten Biotechnologie hängt ganz wesentlich von der Qualität der klinischen Forschungspipeline ab. Sind dort viele hochwertige Produkte zu finden, ist es für die Firma wahrscheinlich leichter, neue Investoren zu gewinnen und zusätzliche Finanzierungsquellen zu erschließen. Ein Blick auf die klinische Entwicklungspipeline der österreichischen Firmen zeigt: Die 68 dedizierten Biotechnologie-Unternehmen haben im Jahr 2012 an 92 neuen Wirkstoffkandidaten gearbeitet. Die Pipeline ist damit gerade in den beiden vergangenen Jahren noch einmal ausgebaut worden. 2010 arbeiteten 52 Biotech-Firmen nur an 80 Substanzen. Der Schwerpunkt der Forschungs- und Entwicklungsarbeiten liegt dabei auf biologischen Molekülen wie Antikörpern, Proteinen oder Impfstoffen. In zwei Drittel der Projekte (63) steht ein biopharmazeutischer Wirkstoffkandidat im Mittelpunkt der Bemühungen. Zusätzlich treiben die Biotech-Firmen Österreichs in 29 Programmen die Entwicklung eines chemisch synthetisierten niedermolekularen Wirkstoffs voran.  Fast ein Drittel der Firmen (20; 29,4%) arbeitet an neuen Behandlungsmöglichkeiten für Krebs. Ebensoviele Firmen entwickelten neue Arzneien gegen Infektionskrankheiten (20; 29,4%). Der dritte große Bereich, der von vielen Unternehmen bearbeitet wurde, waren Atemwegserkrankungen (8; 11,8%)

Zu den am weitesten fortgeschrittenen Entwicklungsprojekten gehört eine Antikörper-Arznei zur Behandlung von Hirntumoren in Kindern. Das Wiener Unternehmen Apeiron Biologics AG in Wien entwickelt im Projekt APN311 einen monoklonalen Antikörper, der das GD2-Antigen auf Tumorzellen eines Neuroblastoms erkennen und angreifen soll. Im Jahr 2012 liefen mehrere klinische Studien der Phase III. Dies ist der letzte Entwicklungsschritt vor einem Zulassungsantrag bei den Aufsichtsbehörden.

Die Innovacell Biotechnologie AG hat ebenfalls ein Entwicklungsprojekt bis in die späte klinische Prüfung gebracht. Ziel des Forschungsprogramms ICES13 ist es, eine zellbasierte Therapie gegen bestimmte Formen der Inkontinenz zu entwickeln.

Das dritte Phase III-Projekt beschäftigt sich mit der Entwicklung eines Impstoffs gegen die Japanische Enzephalitis für Kinder - als Weiterentwicklung des entsprechendes Mittels für Erwachsene, das von der Intercell AG, die seit Mai 2013 zur französischen Valneva AG gehört, bereits auf den Markt gebracht wurde. Damit auch Kinder und Jugendliche von der Schutzimpfung profitieren können, sind jedoch weitere Studien notwendig.

Biopharmazeutische Wirkstoffe in der Pipeline 2012
PräklinischPhase IPhase IIPhase IIIZugelassenInsgesamt
Biopharmazeutischer Wirkstoff411093263
Chemischer Wirktstoff25220029
Quelle: Life Science Report Austria 2013, AWS

Knappes Venture Capital

Eine Schwachstelle identifizieren Wirtschaftsexperten bei der Versorgung mit Geld für Investitionen. Wie in vielen anderen europäischen Ländern auch, ist der Zugang zu Wagniskapital schwierig. Im Jahr 2012 flossen dem Sektor rund 98 Millionen Euro zu. Die am stärksten genutzte Möglichkeit um an frisches Geld zu kommen war im Jahr 2012 die Aufnahme von Krediten. Rund 23 Millionen Euro stellten Banken und andere Geldgeber den Biotechfirmen leihweise zur Verfügung. Deutlich mehr als noch 2010 (9 Millionen Euro, +154%). Öffentliche Beihilfen und Förderungen durch die öffentliche Hand waren ebenfalls ein viel genutztes Instrument, um den eigenen Geschäftsbetrieb zu finanzieren. Fast 23 Millionen Euro konnten die Biotech-Firmen 2012 bei staatlichen Geldgebern einwerben (2010: 9 Millionen Euro, +42%). Private Anleger und Business Angels brachten insgesamt annähernd 20 Millionen Euro zur Finanzierung von Biotech-Firmen auf. 2010 waren es noch 35 Millionen Euro (-40%). Die Finanzierung durch Wagniskapital ist für die Firmen zunehmend schwieriger geworden. Im Jahr 2012 erhielten die Firmen immerhin noch mehr als 17 Millionen Euro von den institutionellen Investoren (2010: 19 Millionen Euro, -10%). Auch an der Börse konnten österreichische Biotech-Firmen zuletzt wieder Anleger von sich überzeugen. Durch Kapitalerhöhungen flossen zusätzlich noch einmal mehr als 15 Millionen Euro in den Sektor (2010: 0 Euro) 

Finanzierung der österreichischen dedizierten Biotech-Unternehmen
20102012Veränderung
Wagniskapital1917,1

-10%

Kapitalerhöhungen über die Börse015,2--
Private Anleger, Business Angel3519,8-40%
Fördermittel922,9+42%
Sonstiges11,8+80%
Quelle: Life Science Report Austria 2013, AWS

Forschungslandschaft

Seit einigen Jahren setzt die österreichische Politik auf die Ansiedlung von Hochtechnologie- und forschungsorientierte Unternehmen. Die Biotechnologie zählt dabei zu den bevorzugten Branchen. Das ist vor allem auf die Arbeit des Rats für Forschung und Technologieentwicklung (RFT) zurückzuführen, der die Regierung seit dem Jahr 2000 dabei unterstützt, eine nationale Forschungsstategie auszuarbeiten. Der RFT definierte die Biotechnologie dabei als eines von sechs Forschungsfeldern, das besondere Priorität in der Förderung genießt.

Ziel der Politik ist es, Österreich als eines der forschungsstärksten Länder Europas zu positionieren. Welche Maßnahmen helfen sollen, dieses Ziel zu erreichen, hat die Bundesregierung im März 2011 in ihrem Strategiepapier für Forschung, Technologie und Innovation "Der Weg zum Innovation Leader" dargelegt. Eine Maßnahme ist die gezielte Förderung strategisch wichtiger Forschungs- und Entwicklungsbereiche wie der Biotechnologie. Als Teil dieser Strategie wurde im Juni 2013 der Aktionsplan Biotechnologie veröffentlicht.

Forschungsausgaben stark angestiegen

Die Forschungsinvestitionen sind in den vergangenen Jahren in Österreich erheblich angestiegen. Waren es 2002 noch 4,7 Milliarden Euro, die Unternehmen und Staat zusammen in Forschung und Entwicklung investierten, war diese Summe 2012 nach Angaben von Statistik Austria schon auf 8,61 Milliarden Euro angewachsen. Damit ist die F&E-Quote 2012 auf 2,81% des Bruttoinlandsprodukts (BIP) gestiegen. Für 2013 werden F&E-Ausgaben in Höhe von 8,96 Milliarden Euro geschätzt, was einer Forschungsquote von 2,81 des BIP entspricht.

In einem Ranking der Innovationskraft verschiedener EU-Staaten, dem Innovation Unit Scoreboard, liegt Österreich damit im Spitzenfeld der Innovation Follower. Dem selbstgesteckten Ziel, in die Gruppe der führenden Innovation Leader aufzusteigen, ist das Land damit ein gutes Stück näher gekommen. Diese Entwicklung hat dazu beigetragen, dass Österreichs ökonomische Wettbewerbsfähigkeit verbessert und ein in den vergangenen Jahren über dem EU-Durchschnitt liegendes Wirtschaftswachstum, ein hoher Beschäftigungsstand und steigender Wohlstand erreicht wurden.

Österreich liegt in der Spitzengruppe der sogenannten Innovation Follower (gelb), will aber zu den Innovation Leadern (grün) aufschließen.  Lightbox-Link
Österreich liegt in der Spitzengruppe der sogenannten Innovation Follower (gelb), will aber zu den Innovation Leadern (grün) aufschließen. Quelle: Bundeskanzleramt, FTI-Strategie 2011

Förderungslandschaft konsolidiert

Um die ambitionierten Ziele des Lissabon-Gipfels zu erreichen, wo eine Idealquote der F&E von drei Prozent des Bruttosozialprodukts festgelegt wurde, muss der Etat dennoch weiter aufgestockt werden. Wie das angesichts der weltweiten wirtschaftlichen Turbulenzen der vergangenen Jahre gelingen kann, ist noch offen.

In der jüngeren Vergangenheit gab es in Österreich einige bemerkenswerte Erfolge, die zersplitterte Forschungsförderung zu vereinfachen und zu konsolidieren. So ist aus vier vormals nebeneinander agierenden Organisationen im Jahr 2004 die Österreichische Forschungsförderungsgesellschaft  (FFG) entstanden. In der Unternehmensförderung gibt jetzt die Austria Wirtschaftsservice GmbH (AWS) den Ton an. Die Förderbank entstand 2002 ebenfalls aus vier Vorgängeragenturen. Das Trio der wichitgsten Geldgeber komplettiert der Fonds zur Förderung der wissenschaftlichen Forschung (FWF), der sich vor allem der Grundlagenforschung verpflichtet fühlt.

Förderschwerpunkt Life Sciences

Erst im Juni 2013 startete das Ministerium für Wirtschaft, Familie und Jugend den Aktionsplan Biotechnologie. So soll der Biotech-Sektor in den nächsten fünf Jahren auf 200 Unternehmen ausgebaut werden. Dafür stehen bis 2015 rund 50 Millionen Euro zur Verfügung. Die jährliche Förderung des Sektors wird damit verdoppelt. Auch bei den großen Forschungsförderern gehören die Lebenswissenswchaften zu den Tätigkeitsschwerpunkten. So stellte der FWF im Jahr 2012 mehr als ein Drittel seine Gelder (37,6%), genau 73,8 Millionen Euro von insgesamt 196,4 Millionen Euro, für Projekte und Vorhaben in diesem Bereich zur Verfügung. Bei der FFG gehören die Lebenswissenschaften zu den fünf größten Förderpositionen. Im Jahr 2012 wurden dort rund 53,1 Millionen Euro (11% der Gesamtfördersumme) investiert. Die AWS unterhält mit Life Science Austria (LISA) ein eigenes Schwerprunktprogramm im Bereich Lebenswissenschaften. 2012 konnte LISA mit insgesamt 16 Projekten, acht in der PreSeed- und acht Seed-Phase, gegenüber 2011 die Projektanzahl mehr als verdoppeln.

Entdecker der Blutgruppen und Retter der Mütter

Österreich kann in der biologischen Forschung auf eine traditionsreiche Geschichte zurückblicken. Schon 1847 führte der in Budapest geborene Arzt Ignaz Semmelweis in der Geburtshilfe des Allgemeinen Krankenhauses in Wien antiseptische Maßnahmen ein, die das damals verbreitete Kindbettfieber zurückdrängen halfen und Semmelweis im Volksmund den Namen „Retter der Mütter“ eintrugen.

Gegen Ende des 19. Jahrhunderts entdeckte der österreichische Mediziner Theodor Escherich das Darmbakterium Escherichia coli, das im Laufe  der Zeit zum meistverwendeten und besterforschten Modellbakterium der Wissenschaft aufstieg. Im Jahr 1901 beschrieb Karl Landsteiner das ABO-System der Blutgruppen, wofür er 1930 den Nobelpreis für Medizin erhielt. Auch heute noch ein Begriff ist der in Wien geborene Biochemiker Max Ferdinand Perutz. 1962 erhielt er gemeinsam mit John Cowdery Kendrew den Nobelpreis für Chemie. 1960 klärten Kendrew und Perutz als erste die dreidimensionalen Strukturen von Hämoglobin und Myoglobin auf. Perutz war 1936 nach England emigriert, wo er 1947 als Professor in Cambridge die Abteilung für Molekularbiologie gründete, die er bis 1979 leitete. In Wien wurde die Bibliothek des Vienna Biocenters in Sankt Marx nach ihm benannt, und auch die Max F. Perutz Laboratories, ein Joint Venture der Universität Wien und der Medizinischen Universität Wien, tragen seinen Namen.

Institut für Molekulare Pathologie

Das Institut für Molekulare Pathologie öffnete 1988 seine  Pforten auf dem ehemaligen Gelände des Wiener Schlachthofs, das heute als Campus Vienna Biocenter zum Zentrum der biomedizinischen Forschung in Wien geworden ist. Am IMP, das mittlerweile einen exzellenten Ruf als Zentrum für biomedizinische Grundlagenforschung erlangt hat, arbeiten rund 200 Wissenschaftler.

Zum IMP: hier klicken

Universitäten als Schrittmacher der Biotech-Forschung

Wien ist unbestritten das Zentrum der Forschungstätigkeit und auch der Biotechnologie in Österreich. Zwei von fünf Menschen, die in der Forschung tätig sind, arbeiten in Wien. Bemerkenswert ist der hohe universitäre Anteil. Von den etwa 1000 Forschungsstätten ist knapp die Hälfte dem Hochschulsektor zuzurechnen. In Wien sind fünf der insgesamt 25 österreichischen Universitäten beheimatet, mit 60 Prozent aller Studierenden. Die Forschung in der Biotechnologie wird neben den Pharmaunternehmen maßgeblich von den Universitäten angetrieben.

Weltweit eine Besonderheit ist das 1988 gegründete Forschungsinstitut für Molekulare Pathologie (IMP). Vor zwanzig Jahren bildete die Einrichtung den Nukleus für das Campus Vienna Biocenter (CVB). Auf dem Gelände haben sich mittlerweile eine Reihe anderer Unternehmen wie Affiris und Intercell (jetzt Valneva Austria GmbH) und weitere Forschungsinstitute wie das Gregor Mendel Institut für Molekulare Pflanzenbiologie und das Institut für Molekulare Biotechnologie, beides Einrichtungen der  Österreichischen Akademie der Wissenschaften, sowie die Max F. Perutz Laboratories angesiedelt, eine Kooperation von Universität Wien und Medizinischer Universität Wien. Insgesamt arbeiten mittlerweile 1200 Menschen in dem Biotech-Zentrum, in das die Stadt Wien und die Bundesregierung in den kommenden zehn Jahren rund 50 Millionen Euro für Ausbau und Infrastruktur stecken wollen. Ein weiteres Zentrum ist im Areal zwischen Gunoldstraße und Muthgasse angesiedelt (Life Science Vienna Muthgasse). Hier ist unter anderem die Universität für Bodenkultur Wien (BOKU) sowie das Östereichische Institut für Technologie (AIT) angesiedelt.

Universitäten sorgen für viele Unternehmensgründungen

Der Großteil der Unternehmens-Neugründungen der vergangenen Jahre sind Spin-Offs aus der akademischen Welt. Dies gilt unter anderemfür die Firmen Affiris und Intercell (inzwischen von der französischen Valneva übernommen). Vor allem zwischen 2010 und 2012 gab es einen leichten Gründungsboom. Allein in der östereichischen Hauptstadt wurden in diesem Zeitraum 14 Biotech-Firmen gegründet.

Mit dem Forschungsfreibetrag, der jeden dritten für die Forschung aufgewendeten Euro absetzbar macht, will die Politik forschungsintensive Branchen nach Österreich locken (siehe Kapitel 3 zu rechtlichen Grundlagen). Speziell auf die Biotechnologie zugeschnitten war das Programm GEN-AU. Die staatliche Forschungsfördergesellschaft stellte von 2001 bis 2010 rund 100 Millionen Euro für die  Genomforschung als technologisches Fundament der Lebenswissenschaften zur Verfügung. Damit war GEN-AU zur damaligen Zeit das höchstdotierte thematische Forschungsprogramm in Österreich.

Rechtliche Grundlagen

In den vergangenen Jahren hat die österreichische Regierung versucht, die Ansiedelung von Unternehmen mit einer Reihe von steuerpolitischen Maßnahmen zu fördern. 2005 wurde die Körperschaftssteuer auf 25 Prozent gesenkt, einer der niedrigsten Sätze in der EU. Die effektive Steuerbelastung von Kapitalgesellschaften liegt einer aktuellen Studie des Zentrums für Europäische Wirtschaftsforschung (ZEW) zufolge in Österreich sogar nur bei 23,1 Prozent. Dafür sorgen zahlreiche Abschreibungsmöglichkeiten wie etwa der Investitionsfreibetrag von 9 Prozent. Wesentliche Steuererleichterungen bieten daneben auch der Forschungs- und Bildungsfreibetrag, der Lehrlingsfreibetrag, der Verlustabzug oder die Übertragung stiller Reserven. Damit liegt die Unternehmensbelastung in Österreich um rund 40 Prozent unter dem deutschen Niveau.

Ein weiterer wirtschaftlicher Anziehungspunkt besonders für international agierende Unternehmen ist das Gruppensteuermodell. Bei der Gruppenbesteuerung werden die Gewinne und Verluste inländischer Gruppenmitglieder und ebenso die Verluste ausländischer Gruppentöchter gegen gerechnet und dadurch die Berechnungsbasis für die Körperschaftssteuer reduziert.

Unternehmenssteuern auf nicht ausgeschüttete Gewinne 2007 im VergleichLightbox-Link
Unternehmenssteuern auf nicht ausgeschüttete Gewinne 2007 im VergleichQuelle: KPMG Tax Survey 2007

Das kommt etwa lassen sich profitbringende Produktions- und kostenintensive Forschungseinheiten in verschiedenen Ländern platzieren. Die Erbschaftssteuer wurde ganz abgeschafft. Zudem sind bis zu 35 Prozent der Forschungsaufwendungen in Österreich absetzbar, falls diese zur Entwicklung oder Verbesserung „volkswirtschaftlich wertvoller“ Erfindungen dienen. Unternehmen, die keine Gewinne in dem Jahr erzielen, in dem die Aufwendungen getätigt wurden, steht alternativ die Geltendmachung einer Forschungsprämie in Höhe von 8 Prozent der getätigten Aufwendungen zu.

Besonders wissensbasierten Industriezweigen wie der Biotechnologie kommt der Bildungsfreibetrag zugute. So sind bis zu 20 Prozent der Aus- und Weiterbildungsmaßnahmen für Arbeitnehmer absetzbar. Alternativ dazu kann eine pauschale Bildungsprämie in der Höhe von 6 Prozent der getätigten Aufwendungen geltend gemacht werden.

Ein wichtiges Instrument der steuerlichen Forschungsförderung ist der Forschungsfreibetrag. Durch ihn sind bis zu 35 Prozent der Forschungsaufwendungen absetzbar, wenn diese zur Entwicklung oder Verbesserung volkswirtschaftlich wertvoller Erfindungen dienen – damit bietet Österreich Europas attraktivstes Steuersystem im Bereich F&E. Für Unternehmen, die keine Gewinne erzielt haben steht alternativ eine Forschungsprämie in Höhe von 8 Prozent der getätigten Aufwendungen zur Wahl.

Ökologische Landwirtschaft gehört zum Selbstbild

Auch wenn Hochtechnologie in wirtschaftlicher Hinsicht willkommen ist, ist die österreichische Identität noch stark in der Landwirtschaft verankert. Diese richtet sich zunehmend auf eine ökologische Erzeugung hin aus. Österreich ist weltweit das Land mit dem höchsten Anteil an biologischer Landwirtschaft, berichtet das österreichische Lebensministerium in seiner Biobroschüre. Im Jahr 2012 waren bereits mehr als 16 Prozent  der landwirtschaftlichen Betriebe Österreichs Biobetriebe (2005: 10 Prozent) und mehr als 20 Prozent  der landwirtschaftlichen Flächen Bioflächen (2005: 13 Prozent). 1991 hat Österreich wieder als erstes Land Bestimmungen für die Bioproduktion von tierischen Erzeugnissen erlassen.

EU-Biotech-Barometer

Seit 1991 wird der europäischen Bevölkerung in einer Repräsentativerhebung regelmäßig auf den Zahn gefühlt, wie sie die Biotechnologie und ihre Anwendungen wahrnehmen. Die aktuellste Runde wurde im Jahr 2010 veröffentlicht. Europaweit hat die Zustimmung zur Biotechnologie zugenommen.

Die komplette Umfrage: hier klicken  

Keine Akzeptanz für Grüne Gentechnik

Dieses Verständnis als Pionier der biologischen Landwirtschaft senkt die Akzeptanz für die Grüne Gentechnik. Laut der jüngsten europaweiten Repräsentativumfrage zur Biotechnologie aus dem Jahr 2010 ist die Zahl derjenigen, die unter keinen Umständen gentechnisch veränderte Nahrungsmittel kaufen würden, in Österreich höher als irgendwo sonst in der EU. Nicht zuletzt aus diesem Grund gilt Österreich zusammen mit Frankreich und Griechenlang auf EU-Ebene zu den Gegnern der Grünen Gentechnik. Bereits im Juli 2008 erteilte Gesundheitsministerin Andrea Kdolsky ein Importverbot für den gv-Mais MON863. Neben MON863-Mais und den drei Rapslinien Ms8, Rf3 und Ms8xRf3 hatte die Regierung zuvor schon den Anbau der Maissorten MON810 und T25 sowie den Import der gentechnisch veränderten Rapssorte GT73 verboten. Erst nachdem die EU-Kommission einschritt, hob die Regierung das Anbauverbot für die in der EU erlaubten gv-Maissorten teilweise wieder auf. Insgesamt gab es bisher nur drei Feldversuche mit genetisch modifizierten Pflanzen in Österreich. Wenn überhaupt, werden in Österreich nur vereinzelt gv-Pflanzen zu Forschungszwecken angebaut und auch für die nächste Zukunft ist eine kommerzielle Nutzung hier sehr unwahrscheinlich.

1995 trat das Österreichische Gentechnikgesetz in Kraft. Es wurde mehrmals überarbeitet und setzt die EU-Richtlinien zur Freisetzung und zum Inverkehrbringen von GVO und zur Verwendung von GVO in geschlossenen Systemen in österreichisches Recht um. Daneben bestehen eine Reihe von Verordnungen auf Bundesebene und die Gentechnik-Vorsorgegesetze der Bundesländer zur Regelung von Koexistenzfragen. (Mehr Informationen: hier klicken

Volksbegehren gegen Gentechnik

Im April 1997 wurde das Gentechnik-Volksbegehren in Österreich angenommen. Bei einer Wahlbeteiligung von mehr als 21 % (2,1 Millionen Stimmen)wurde darin ein gesetzlich verankertes Verbot der Produktion, des Imports und des Verkaufs gentechnisch veränderter Lebensmittel gefordert. Auch die Freisetzung genetisch veränderter Pflanzen, Tiere und Mikroorganismen sowie die Patentierung von Lebewesen wurde darin abgelehnt. Der Beschluss wurde am 16. April 1998 nach 3. Lesung angenommen. Die Österreichische Akademie der Wissenschaften beschäftigte sich zuletzt in dem von Juli 2008 bis Dezember 2011 laufenden EU-Projekt STEPE (Sensible Technologien und europäische öffentliche Ethik) mit Fragen zur grünen Gentechnik.

Aber nicht nur der Grünen Gentechnik, auch der Biotechnologie im Allgemeinen  stehen die Österreicher insgesamt skeptischer gegenüber als der EU-Durchschnitt. Nur 35 Prozent der Österreicher glauben, dass  Biotechnologie und Gentechnik einen positiven Effekt auf den Alltag haben werden, 41 Prozent hingegen fürchten negative Auswirkungen. Im Durschnitt erwarten EU-Bürger eher einen positiven (53 Prozent) als einen negativen Effekt (20 Prozent). Damit ist Österreich innerhalb der EU das Land, das der Biotechnologie am skeptischsten gegenübersteht.

Gentechnik und Stammzellforschung kritisch gesehen
Auch bei der Stammzellforschung befindet sich Österreich in Europa im Drittel der eher kritischen Länder. Das liegt nicht unbedingt an der Rechtslage - so existiert in Österreich zum Beispiel keine einschränkende Stichtagsregelung nur Verwendung von embryonalen Stammzellen - sondern ist eine Spätfolge einer politischen Entscheidung der Bundesregierung. Beim Beschluss des sechsten und siebten EU-Rahmenprogramms für Forschungsförderung im Jahr 2002 lehnten die Politiker die Förderung der Forschung an humanen embryonalen Stammzellen ab und signalisierten damit deutlich ihre Zweifel an diesem Forschungsgebiet. Die Forschung mit adulten Stammzellen ist nicht gesondert geregelt und daher im Rahmen der allgemeinen medizinrechtlichen Normen zulässig. Manches ist allerdings strittig, etwa die Rahmenbedingungen von Biobanken für die Forschung. In der Öffentlichkeit wird die Forschung an Embryonen ebenfalls kritisch gesehen. In der Eurobarometer-Umfrage zur Biotechnologie 2010 sprachen sich 60 Prozent der Österreicher für ein Verbot aus, nur 33 Prozent lehnten es ab. Auch hier sind die Österreicher deutlich kritischer als der europäische Durchschnitt (38 Prozent für ein Verbot, 52 Prozent dagegen).

Liberale Stammzellregelung

Die Forschung an pluripotenten embryonalen Stammzellen ist nach geltendem Recht ohne spezifische Einschränkungen erlaubt. Verboten ist durch § 9 Abs 1 des Fortpflanzungsmedizin-Gesetzes jedoch die Gewinnung der Zellen aus befruchteten Eizellen,  sofern diese in Österreich stattfindet. Das ist liberaler als in Deutschland, wo für die Verwendung von importierten pluripotenten embryonalen Stammzellen eine Stichtagsregelung gilt (mehr...). Ebenso wie in Deutschland absolut verboten ist die Verwendung von totipotenten Stammzellen - Zellen, aus denen sich noch ein Individuum entwickeln kann - zu anderen Zwecken als jenen der Fortpflanzung.

Hintergrund

Biotech- und Pharmaunternehmen (2012): 157

davon dedizierte Biotech-Unternehmen (nach OECD): 95

Schwerpunkt: medizinisch-pharmazeutische Forschung

Wirtschaftsförderung

Austria Wirtschaftsservice AWS
Austrian Business Agency ABA

Nationales Programm
LISA - Life Science Austria

Regionale Verbände
Niederösterreich: Ecoplus

Oberösterreich: Gesundheitscluster
Steiermark: Human.technology.styria
Wien: Life Science Austria Vienna Region
Tirol: Cluster Life Sciences Tirol


Rechtliche Grundlagen
Forschung an Stammzellen ohne Stichtagsregelung erlaubt, aber nicht gefördert; Forschung an Embryonen verboten; Bevölkerung gegenüber Grüner Gentechnik sehr skeptisch, kaum Freisetzungsversuche

Downloads

Life Science Report Austria 2013

Austria Wirtschaftsservice Gesellschaft mbH (aws), 2013 Download PDF (2,2 MB) PDF online ansehen

Life Sciences: Pharma und Biotechnologie - Nährboden für gesunde Gewinne

Austrian Business Agency Download PDF (725,5 KB)

BioPolis - Inventory and analysis of national public policies that stimulate research in biotechnology, its exploitation and commercialisation by industry in Europe in the period 2002-2005

National Report of Austria, März 2007 Download PDF (530 KB) PDF online ansehen