Biotechnologie in Kanada

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In Sachen Biotechnologie braucht sich Kanada nicht zu verstecken. Die biomedizinische Forschung des Landes hat einen exzellenten Ruf, dies hat für eine Reihe von Ausgründungen gesorgt und eine Vielzahl großer Pharmakonzerne angelockt. Aber auch bei biotechnologischen Anwendungen in der Landwirtschaft rangiert Kanada an der Spitze: Parallel mit den USA ging bereits im Jahr 1996 der erste großfläche Anbau von gv-Pflanzen zu kommerziellen Zwecken los. Heute rangiert Kanada mit mehr als sechs Millionen Hektar auf Platz vier in der Welt, bei gentechnisch verändertem (gv) Raps sind die Kanadier das größte Anbauland.

Unternehmenslandschaft

Kanada erstreckt sich auf einer großen Fläche Nordamerikas.Lightbox-Link

Die Biotech-Branche in Kanada kann bereits auf eine rund zwanzig jährige Geschichte zurückblicken, die sich in einem steten Wachstum niederschlägt. Heute zählt das Land rund 500 Biotechnologie-Unternehmen – wobei hier die breite Definition der Organisation für wirtschaftliche Kooperation und Zusammenarbeit (OECD) gewählt wurde. Neben reinen Biotechnologie-Unternehmen wurden in diese Zahl auch solche mitgezählt, die sich nicht ausschließlich mi Biotechnologie beschäftigen - wie Pharmafirmen und Saagutkonzerne.  Die Mehrheit der 500 Unternehmen gehört die Mehrheit zur Gruppe der kleinen und mittleren Unternehmen (ca. 430) und ist im medizinischen Bereich tätig. Landwirtschaft und Nahrungsmittelproduktion sind die anderen großen Geschäftsfelder.

Mehr Informationen zur Branche finden Sie in der Studie: "Canadian Trends in Biotechnology" (2005)  PDF-Download

Der Umsatz stieg zumindest in den Jahren 1997 bis 2003 stetig an, von rund 800 Millionen kanadische Dollar auf 3.8 Milliarden. Fast siebzig Prozent werden hierbei jedoch von den großen Unternehmen mit mehr als 100 Mitarbeitern erwirtschaftet. Für das Jahr 2006 konstatierte Peter Brenders, Präsident des kanadischen Unternehmerverbandes BIOTECanada, jedoch einen Umsatz von nur rund 1,7 Milliarden Dollar, was auf einen Rückgang der Einnahmen schließen lässt – vermutlich im Zuge der Konsolidierung der gesamten Branche weltweit. Die Marktkapitalisierung liegt laut Brenders derzeit bei 22 Milliarden Dollar.

Insgesamt zählt Kanada rund 12.000 (Stand: 2003) Beschäftigte mit biotechnologie-relevanten Arbeitsfeldern, die meisten davon im Gesundheitssektor. Geografisch konzentriert sich die Branche von der Anzahl der Unternehmen, aber auch der Beschäftigten auf die vier Provinzen Quebec, Ontario, British Columbia und Alberta. Rund 80 Unternehmen sind an der Börse gelistet, die meisten haben ihren Sitz in Quebec und Ontario.

Regionale Verteilung der Unternehmen

Anzahl an Unternehmen (2003)
Quebec146
Ontario129
British Columbia91
Alberta44
Saskatchewan24
Manitoba21


Pharma-Unternehmen konzentrieren sich in Quebec

Kanada hat es offenbar geschafft, nicht nur Ausgründungen eigener Biotechnologie-Unternehmen voranzutreiben, sondern auch große Pharmakonzerne mit ihren Forschungsniederlassungen ins Land zu holen. So hat beispielsweise im Jahr 2003 Merck Frosst, eine Division der in New Jersey ansässigen Firma Merck & Co., 116 Millionen Dollar in die Forschung und Entwicklung in Kanada investiert. Das Merck Frosst-Zentrum für therapeutische Forschung in Montreal - die größte private biomedizinische Forschungseinrichtung des Landes - trägt das Forschungsmandat für neue Therapien zur Behandlung von Erkrankungen der Atmungswege, Entzündungskrankheiten, Diabetes und Osteoporose. Insgesamt beschäftigt Merck Frosst 1,900 Menschen in Kanada, darunter 300 Wissenschaftler.

Ähnlich sieht es beim britischen Pharmakonzern GlaxoSmithKline aus. Im Jahr 2006 hat GSK insgesamt 176 Millionen Dollar in Forschung und Entwicklung in Kanada investiert - hier ist vor allem die Impfstoffforschung, aber auch die Produktion beheimatet. Insgesamt 3300 Beschäftigte hat GSK in Kanada.

Aber auch das Unternehmen Boehringer Ingelheim hat ein Forschungszentrum mit 130 Wissenschaftlern in Laval. Die Teams dort konzentrieren sich dabei auf Therapien für Erkrankungen, die durch das Hepatitis-C-Virus und das AIDS-Virus ausgelöst werden. Für Anfang 2008 ist sogar die Eröffnung eines neuen Gebäudes geplant.

Problem: Finanzierung für KMUs

Wie in vielen Ländern auch liegt das größte Problem für kanadische Biotechnologie-Firmen in der Finanzierung, insbesondere für KMUs. Gut dokumentiert ist die Situation aus dem Jahr 2003: Damals wollten 240 kleine und mittlere Firmen Geld auf dem privaten Kapitalmarkt anwerben, aber nur bei 140 kam eine Finanzierungsrunde zustande und bei knapp 90 stimmte die der Mittel mit den Erwartungen überein.

Abgesehen von reinen VC-Gesellschaften können forschungsintensive Unternehmen seit 1985 Steuererleichterungen für eine Summe von 2 Millionen Dollar im Rahmen des Scientific Research & Experimental Development (SR&ED) Programm erhalten, wenn ihr zu versteuerndes Einkommen unterhalb von 200,000 Dollar liegt. Zwar wird dieser Weg grundsätzlich von den Unternehmern begrüßt, doch die Anwendbarkeit für Biotech-Firmen ist oft gering: Viele können von den Steuererleichterungen keinen Gebrauch machen, weil sie noch keinen Gewinn erwirtschaften. Zudem gehen die erworbenen Credits bei Fusionen oder Übernahmen mit ausländischen Unternehmen verloren. Zudem fallen viele aufgrund der gesetzen Einkommensgrenzen aus dem Raster, weil dort auch Fördergelder als Einkommen gezählt werden müssen. Wiederholt hat deshalb auch BIOTECanada für eine Änderung dieses Systems plädiert, bislang allerdings erfolglos.

Zwischen 1996 und Ende des Jahres 2006 konnten Biotechnologie-Firmen zudem über das Technology Partnerships Canada (TPC) Programm finanzielle Unterstützung erhalten. Hierüber wurden pro Jahr rund 25 Millionen Dollar in Forschungsprojekte von Biotech-Firmen investiert. Ende 2006 ist das Programm zu den früheren Konditionen jedoch ausgelaufen, mit der neuen Regierung gibt es jetzt eine neue Struktur. Die Planungen sehen vor, bis zum Jahr 2011 mehr als 200 Millionen Euro in das Programm zu investieren. Darüber hinaus stehen Extra-Gelder für Demonstrationsprojekte zur Verfügung, die beispielsweise Anfang 2007 in die Weiterentwicklung einer Bioethanol-Demonstrationsanlage der Iogen Energy Corp. in Ottawa geflossen sind. (Mehr Informationen) Damit soll die Forschung an Bioethanol der zweiten Generation vorangetrieben werden, der aus Biomasse (Cellulose) gewonnen wird  und für den Markt entwickelt werden soll.

Risikokapital wird auch über die Business Development Bank of Canada (BDC) zur Verfügung gestellt. Obwohl im Jahr 2002 eine Zusage von rund 200 Millionen Dollar für die Biotechnologie-Branche aus der Regierung getroffen wurde, ist tatsächlich weit weniger Geld in Biotech-Firmen geflossen. So berichtet der Unternehmerverband BIOTECanada, dass im Jahr 2003 nur rund 93 Millionen Dollar für Hightech-Firmen ingesamt, also nicht ausschließlich für Biotechnologie, zur Verfügung gestellt wurden. Bis zum Jahr 2002 hatte die BDC allerdings bereits 100 Millionen Dollar in Biotech-Firmen investiert, davon gingen 15 Millionen speziell an Start-ups.

Forschungslandschaft

Von 1999 bis 2007: Canadian Biotechnology Strategy

Vor dem Regierungswechsel im Jahr 2006 stand die Biotechnologie im Mittelpunkt der politischen Anstrengungen. So wurde wurde im Jahr 1999 die Canadian Biotechnology Strategy (CBS) ins Leben gerufen, die bis zum Jahr 2007 mit einem Budget von rund 450 Millionen Dollar ausgestattet war. Innerhalb der Strategie gab es drei wesentliche Initiativen: den CBS Fund, der das strategische Management aller beteiligten Agenturen und Ministerien koordinierte, die Information über das Internet betreute und beispielsweise das Canadian Biotechnology Advisory Committee (CABC) finanzierte, um die kanadische Regierung zu beraten und biotechnologie-relevante Studien zu erstellen. Als zweite Initiative gab es das Canadian Regulatory System for Biotechnology (CRSB) für alle regulatorischen Fragen. Forschungsförderung wurde hauptsächlich unter dem Dach des Genome CanadaFörderprogramm betrieben, an dem sechs verschiedene Agenturen mitwirken.  

Anteil der Biotechnologie an den F&E-Ausgaben in KanadaLightbox-Link
Anteil der Biotechnologie (grau) an den Ausgaben für Technologie,Forschung und Entwicklung in Kanada. Quelle: Statistics Canada für das Jahr 2003-2004, aus "Canadian Trends in Biotechnology" (2005)

Dass die Biotechnologie einen großen Anteil an den Ausgaben für Technologie, Forschung und Entwicklung der Regierung hat, zeigt ein Blick auf die Daten aus dem Berichtsjahr 2003-2004 (vgl. Studie "Canadian Trends for Biotechnology"). Demnach wurden insgesamt rund 750 Millionen Dollar in die Biotechnologie investiert, im Vergleich zu 1997-1998 gut doppelt soviel. Der Löwenanteil fließt dabei in die Canadian Institutes of Health (2004: 271 Mio. Dollar), den National Research Council (2004: 121 Mio. Dollar) sowie das Programm Genome Canada (2004: 81 Mio. Dollar) und die Canada Foundation of Innovation (2004: 78 Mio. Dollar).

Im Jahr 2007 hat die kanadische Regierung, die im Jahr 2006 neu an die Macht gekommen ist, eine neue Strategie zur Förderung von Wissenschaft und Technologie verabschiedet (Science and Technology Strategy), in deren Rahmen die Schwerpunktsetzungen der kommenden Jahre neu definiert wurden. Die Lebenswissenschaften sollen dabei nach wie vor als eines der wichtigsten Felder im Mittelpunkt stehen. Dies zeigt sich auch in jüngsten Ankündigungen, mehr als 100 Millionen Euro in die Ausstattung von wissenschaftlichen Lehrstühlen zu investieren, wovon vor allem die biomedizinische Forschung profitiert. Einige strukutrelle Änderungen sind allerdings auch angegangen worden: So wurde unter anderem das Beratergremium CABC zugunsten eines generellen Rates von Wissenschaft, Technik und Innovation abgeschafft, hat aber noch einen letzten Report zur Stärkung der Nachhaltigkeit der kanadischen Umweltaktivitäten und den Beitrag der Lebenswissenschaften auf diesem Gebiet zusammengefasst.

Mehr Informationen dazu: hier klicken

Netzwerk an Forschungseinrichtungen für die Lebenswissenschaften

Die kanadischen Forschungseinrichtungen sind besonders stark in der Medizin und haben sich eine solide Basis an renommierten Instituten in der Genomik, Proteomik, Krebs- und Infektionsforschung erarbeitet. Nicht zuletzt aus diesem Grund haben sich eine Reihe von Pharmafirmen mit ihren Forschungsniederlassungen in Kanada angesiedelt. Ein Großteil der biomedizinischen Forschung ist neben den Canadian Institutes of Health unter dem Dach des National Research Council organisiert, das aus mehr als 20 verschiedenen Einrichtungen besteht. Die Lebenswissenschaften bilden dabei eines von fünf Themengebieten und werden in sechs Einrichtungen betrieben, von denen das Biotechnology Research Institute mit Sitz in Montréal das größte ist. Hier widmen sich die Wissenschaftler nicht nur medizinischen Aspekten der Biotechnologie, sondern auch dem Bioprocessing und umweltrelevanten Themen. Die anderen Einrichtungen beschäftigen sich mit Biomarkern, Diagnostika, marinen Biowissenschaften sowie molekulare Pflanzenforschung und Ernährungswissenschaften.

Mehr Informationen zum Lebenswissenschaften-Netzwerk des NRC: hier klicken

Angesichts der starken landwirtschaftlichen Ausrichtung des Landes hat die Agrobiotechnologie ebenfalls eine hohe Relevanz. Gut ein viertel der hier für Forschungs- und Technologieförderung ausgegebenen Mittel fließt in die Biotechnologie. Dies zeigt sich sowohl in der großen Anzahl von kommerziellen Anbauflächen gentechnisch veränderter Pflanzen, als auch in der Forschung. Auf diese Kompetenz greifen nicht zuletzt deutsche Wissenschaftler zurück, beispielsweise im Rahmen des vom Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) geförderten Verbundprojektes "YelLowSin-Rapeseed"des Pflanzengenomprogrammes GABI, in dem Wissenschaftler und Saatguthersteller in versuchen, gentechnisch veränderten Raps ohne Bitterstoffe herzustellen. Die Freilandversuche sollen dabei  in Kanada stattfinden.

Mehr Informationen zu GABI-Kanada: hier klicken

Rechtliche Grundlagen

Was die rechtlichen Grundlagen angeht, so herrschen in Kanada weitestgehend liberale Bedingungen für die biotechnologische Forschung und ihre Anwendung in der Praxis.

Bis zum Jahr 2002 gab es zur Stammzellforschung keine gesetzlichen Regelungen. Dies wurde jedoch mit dem Assisted Human Reproduction Act sowie Richtlinien der Canadian Institutes of Health zur Stammzellforschungbehoben. Seitdem ist die Arbeit mit embryonalen Stammzellen erlaubt, das therapeutische Klonen ist ebenso verboten wie das ERzeugen von Embryos allein zu wissenschaftlichen Zwecken. Jeder Förderantrag im Rahmen der CIHR sowie anderen Fördereinrichtungen, der sich auf Stammzellen bezieht, muss zuvor vom Stem Cell Oversight Committee (SCOC) aus ethischer Sicht begutachtet werden. In den vergangenen Jahren haben kanadische Wissenschaftler  - auch im Rahmen des Joint Centre for Bioethics der Universität Toronto - aber immer wieder darauf gedrängt, insbesondere das therapeutische Klonen zuzulassen. Bislang allerdings erfolglos.

Grünes Licht hat der Gesetzgeber schon sehr früh für den kommerziellen Anbau von gentechnisch veränderten Pflanzen und der Nutzung biotechnologischer Anwendungen in der Landwirtschaft gegeben. Parallel zu den USA wurden 1996 erste größe Flächen für den kommerziellen Anbau zur Verfügung gestellt. Heute steht Kanada steht nach den USA, Brasilien und Argentinien an vierter Stelle, wenn der weltweite gv-Anbau nach Größe der Fläche verglichen wird. Auf insgesamt 6,1 Millionen Hektar wurden nach Angaben des "International Service for the Acquisition of Agribiotech Applications" (ISAAA) gv-Pflanzen im Jahr 2006 auf angebaut. Das Land gehört inzwischen zum größten Anbau von gv-Raps, aber auch gv-Mais und gv-Soja wird in großem Stil angebaut. Von institutioneller Seite ist hierbei vor allem die Canadian Food Inspection Agency zu erwähnen, die über die Sicherheitsbewertung und Zulassung neuer Sorten bestimmt. Darüber hinaus gibt es mehrere Initiativen, die die Langzeitbeobachtung des gv-Anbaus übernommen haben, darunter ist das Programm  Ecosystem Effects of Novel Living Organisms (EENLO) das bekannteste.

Ausführliche Informationen über die gesetzlichen Reglungen zur Agrobiotechnologie gibt es hier

Hintergrund

Unternehmen: rund 500

Schwerpunkt: Medizin und Landwirtschaft/Umwelt

Wirtschaftsverband: BIOTECanada www.biotech.ca

Forschungsförderung: Canadian Institutes of Health (CIHR) www.cihr-irsc.gc.ca
National Research Council (NRC) www.nrc-cnrc.gc.ca

Informationsportal der Regierung: www.bioportal.gc.ca.

Biotechnologie in den Provinzen:
www.bioquebec.com
www.bioontario.com
www.lifesciencesbc.ca
www.bioalberta.com

Downloads

Canadian Trends in Biotechnology

Government of Canada, 2005 Download PDF (2,9 MB)