Ethikrat setzt sich für Stammzellforscher ein

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Steht in der Diskussion: Die Forschung an menschlichen embryonalen Stammzellen. Quelle: Harvard Stem Cell Institute

18.07.2007  - 

So schließt sich der Kreis: Die letzte offizielle Stellungnahme des Nationalen Ethikrates widmet sich jenem Thema, mit dem die Arbeit des Gremiums einst vor sechs Jahen begann. Wieder einmal geht es um den Import menschlicher embryonaler Stammzellen und erneut spiegelt die Stellungnahme ein gespaltenes Meinungsbild wieder.  14 der insgesamt 24 Mitglieder sprechen sich für eine Novellierung des aktuellen Stammzellgesetzes und eine Abschaffung des Stichtages aus. Stammzellforscher sollten auf alle weltweit verfügbaren embryonalen Stammzellen zugreifen dürfen, heißt es. Neun Mitglieder des Ethikrates sehen keinen Änderungsbedarf. Ob sich im Bundestag eine Mehrheit für eine Lockerung der aktuellen Rechtslage findet, ist noch unklar. Nach der Sommerpause will eine interfraktionelle Arbeitsgruppe einen Vorstoß wagen und die Verschiebung des Stichtages beantragen.

Als der Nationale Ehtikrat vor sechs Jahren vom damaligen Bundeskanzler Gerhard Schröder ins Leben gerufen wurde, ging es um es um den Import embryonaler Stammzellen und auch jetzt, bei seiner letzten offziellen Stellungnahme, dreht es sich erneut darum. Damals wie heute verdeutlicht das Gremium unter Leitung der Ethikrechtlerin Kristiane Weber-Hassemer, wie kontrovers das Thema Stammzellen in Deutschland diskutiert wird. Eine deutliche Mehrheit der Ethikratsmitglieder, also 14 von 24 Mitgliedern, fordert eine Lockerung des aktuellen Stammzellgesetzes, das im Jahr 2002 verabschiedet wurde. Demnach soll die geltende Stichtagsregelung fallen. Zurzeit dürfen deutsche Stammzellforschzer nur solche embryonale Stammzellen für Forschungszwecke importieren, die vor dem 1. Januar 2002 hergestellt wurden. Viele Wissenschaftler beklagen, dass diese mehrheitlich veraltet und häufig verunreinigt seien. Sie wollen Zugang zu den rund 500 neuen Zelllinien, die nach 2002 weltweit aus embryonalen Stammzellen gewonnen wurden.

Die tagesschau hat dem Thema einen eigenen Beitrag gewidmet.Lightbox-Link
Quelle: ARD


Die ARD hatte am Montag, den 16. Juli, einen Beitrag der "Tagesschau" zu diesem Thema. Zum Film:
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„Wir empfehlen, anstelle der starren Stichtagsregelung eine punktgenaue Einzelfallprüfung vorzusehen“, sagt Ethikratsmitglied Horst Dreier, Verfassungsrichter aus Würzburg. Dabei soll das bisher auch schon zuständige Robert-Koch-Institut (RKI) die zentrale Genehmigungsbehörde bleiben. Ein Import solle erlaubt werden, wenn die Herstellung der betreffenden Zelllinien weder vom Antragsteller selbst veranlasst noch sonst von Deutschland aus bewirkt wurde. Mit einer solchen Einzelfallprüfung ist nun im Vergleich zu bisherigen Forderungen von Seiten der Wissenschaftler ein neuer Vorschlag auf dem Tisch.

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Der Ethikrat empfiehlt weiter, dass embryonale Stammzellen, die zu kommerziellen Zwecken hergestellt wurden, grundsätzlich nicht eingeführt und verwendet werden dürften. Ein weiterer Novellierungsvorschlag zum Stammzellgesetz zielt auf die Strafvorschriften: Auch hier plädiert das Mehrheitsvotum des Ethikrates auf Abschaffung. Ihrer Ansicht nach sollte das Gesetz künftig nur regeln, wie Verstöße gegen die Genehmigungsvoraussetzungen geahndet werden. Als dritten Punkt sprechen sich die 14 Mitglieder für eine Erweiterung der Nutzung importierter Stammzellen aus: Sie sollen nicht nur zu Forschungszwecken, sondern auch für die Diagnostik und Therapie von Krankheiten eingesetzt werden dürfen.

Mit der Entdeckung von Thomson erhielt auch die Klontechnik neuen Auftrieb. Dieser Film des Howard Hughes Medical Institute auf dem Videoportal youtube zeigt, wie eine Zelle mit der Technik des somatischen Zellkerntransfers geklont wird. (auf Englisch)Quelle: youtube.com

Eine Gruppe von neun Mitgliedern hat gegen die Mehrheitsmeinung votiert. „Die Aufhebung des Stichtages würde die normativen Grundlagen der jetzigen Reglung aushöhlen“, betonte die Biologin Regine Kollek als Sprecherin der Gruppe. Demnach könne es nur zwei Handlungsoptionen geben: Entweder man lasse alles beim Alten oder aber man rollt die Diskussion noch einmal komplett auf, inklusive Embryonenschutzgesetz.

Forschungsministerin Annette Schavan nannte die Stellungnahme des Ethikrates einen „konstruktiven Beitrag“. In der Presse wiederum hieß es, die vorgebrachten Argumente seien nicht neu und nahezu deckungsgleich mit den von der Deutschen Forschungsgemeinschaft (DFG) mehrfach erhobenen Forderungen. Die Berliner Zeitung nannte das Papier des Ethikrates in ihrem Kommentar sogar „eine fast überflüssige Stellungnahme“.

Nach der Sommerpause neuer Antrag im Bundestag geplant

Allerdings scheint der Ethikrat dem Thema auf diese Weise erneut Nachdruck verliehen zu haben, wie sich nun auf Abgeordnetenseite zeigt. So kündigte eine intrafraktionelle Arbeitsgruppe des Bundestages an, gleich nach Ende der parlamentarischen Sommerpause einen Änderungsantrag vorzulegen. Dabei soll der Stichtag auf den ersten Mai 2007 vorverlegt werden. So sei sichergestellt, dass deutsche Forscher über viele Jahre ausreichend Grundlagenforschung betreiben können, erklärte René Röspel, der forschungspolitische Sprecher der SPD. (Seine komplette Stellungnahme lesen Sie hier)  Darüber hinaus ist geplant, die strafrechtlichen Bestimmungen des Gesetzes auf das Inland zu begrenzen, um auf diese Weise Rechtssicherheit für die Forscher zu schaffen.

Forschungsministerin Annette Schavan bezeichnete eine solche Verschiebung als "nachvollziehbaren Schritt". „Das Wichtige ist aber die Substanz des Gesetzes. Es darf kein Anreiz zur Tötung von Embryonen geschaffen werden und muss gleichzeitig der Forschung gerecht werden. Lebensschutz geht vor Forschungsfreiheit“, betonte sie.

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Abgeordnete sind widersprüchlicher Meinung

CDU-Gesundheitsexperte Hubert Hüppe sprach sich wiederum gegen eine Änderung des Gesetzes aus: „Eine Verschiebung des Stichtages ist nicht tragbar. Die Produzenten der Stammzellen und die Forscher würden sich darauf verlassen, dass wir den Stichtag immer wieder ändern.“ (Seine komplette Stellungnahme lesen Sie hier)
Auch die katholische Deutsche Bischofskonferenz warnte vor einer Lockerung. Der Schutz menschlicher Embryonen dürfe nicht preisgegeben werden, betonte der Sekretär des Gremiums, Hans Langendörfer. (Seine komplette Stellungnahme lesen Sie hier) Ein gegensätzliches Bild zeigt sich in den Oppositionsparteien. Während die forschungspolitische Sprecherin der Grünen, Priska Hinz, kritisierte, dass die zweigeteilte Position für die Debatte wenig brauchbar sei (Ihre komplette Stellungnahme lesen Sie hier), begrüßte die Stammzellexpertin der FDP, Ulrike Flach, den Beitrag des Ethikrates, um für deutsche Forscher den Anschluss ans internationale Wissenschaftlerleben zu ermöglichen. (Ihre komplette Stellungsnahme lesen Sie hier) Mit der Stellungnahme verabschiedet sich der Nationale Ethikrat nun endgültig vom politischen Parkett: Nach der Sommerpause wird das Gremium in seiner aktuellen Form aufgelöst. An seine Stelle wird der „Deutsche Ethikrat“ mit 26 Mitgliedern treten, der erstmals zur Hälfte vom Bundestag und von der Bundesregierung bestimmt wird.

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Stellungnahme des Nationalen Ethikrates zum Stammzellgesetz

Juli 2007 Download PDF (254,2 KB)