Bioökonomie in den USA

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Quelle: Gemeinfrei

Die Vereinigten Staaten setzen massiv auf die Bioökonomie als Wirtschaftsfaktor: Die 2012 vorgelegte Bioökonomie-Strategie der USA, der National Bioeconomy Blueprint, bezieht die Biomedizin ausdrücklich mit ein. Sie profitiert zudem davon, eine führende Biotechnologie-Nation zu sein. Viele US-Chemiekonzerne setzen auf biobasierte Produktionsverfahren. Der Aufbau von Bioraffinerien und die Biospritherstellung werden großzügig gefördert. Auch in Sachen Grüne Gentechnik sind die USA ein Schwergewicht: 40% der globalen Anbaufläche von gentechnisch veränderten Pflanzen liegen in den USA.

Politische und rechtliche Grundlagen

In den USA nehmen bioökonomische Aktivitäten schon lange auch politisch eine wichtige Rolle ein, um die Erdölabhängigkeit des Landes von externen Zulieferungen auf ein Mindestmaß zu reduzieren. Zunächst lag der Fokus vor allem auf der Bioenergie, inzwischen gibt es eine Bioökonomie-Strategie sowie weitere zahlreiche politische Initiativen zum Ausbau einer biobasierten Wirtschaft.

Die US-Strategie zu Bioenergie und biobasierten Produkten bildet die gesamte Wertschöpfungskette von der Biomasseproduktion bis hin zum Markt ab und beinhaltet auch große Forschungsprogramme. Ausgelöst durch Debatten über die Abhängigkeit der USA von ausländischen Erdöllieferungen wuchs die politische Zustimmung stetig. So verfügte Präsident Bill Clinton 1999, dass der Verbrauch von Produkten und Energie auf Basis von Biomasse bis zum Jahr 2010 verdreifacht werden solle. Mit den anschließend verabschiedeten nationalen Gesetzen, legte die Regierung die Richtung fest.

USDA: Biobasierte Produkte bevorzugt
Die Vermarktung neuer biobasierter Konsumgüter wird durch die „Farm Bill“ (2002) unterstützt. Eine politische Maßnahme in diesem Kontext ist das BioPreferred Program des US-Agrarministeriums USDA: Es verlangt von nationalen Behörden, im öffentlichen Beschaffungswesen biobasierte Produkte gegenüber petrochemischen zu bevorzugen. Im Rahmen des Programms wurden inzwischen mehr als 10.000 biobasierte Produkte zertifiziert und entsprechend gekennzeichnet. Im Frühjahr 2015 hat Präsident Obama die US-Behörden in einem präsidialen Erlass zu mehr Nachhaltigkeit verpflichtet. Als Mittel dazu wird auch die bevorzugte Beschaffung biobasierter Produkte angeordnet (Biopreferred Initiative). Anreize für Landwirte und Zielvorgaben für Biosprit kamen hinzu. 2007 erschien dann die „Roadmap for Biomass Technologies in the United States“. Das von zahlreichen Akteuren erarbeitete Dokument schloss Empfehlungen wie Programme zur Einbindung und Information der Öffentlichkeit und Marktanreizprogramme ein. Der Agricultural Act 2014 ist eine Novelle des Farm Bill (gilt bis 2018). Darin finden sich auch Fördermaßnahmen zur Bioraffinerie- und Biomasseforschung.

Die US-Bioökonomie-Strategie

Eine vielbeachtete Bioökonomie-Strategie veröffentlichte die Obama-Regierung schließlich im Jahr 2012 mit dem National Bioeconomy Blueprint. Mit dem strategischen Papier unterstrich das Weiße Haus das Potenzial der Bioökonomie und steckt den Rahmen für eine biobasierte Wirtschaft. Zur Bioökonomie-Definition zählt das Weiße Haus ausdrücklich auch die Biomedizin und die medizinische Biotechnologie:

„A bioeconomy is one based on the use of research and innovation in the biological sciences to create economic activity and public benefit (White House 2012).”

Die Erforschung und Kommerzialisierung biologischer Prozesse sollten künftig „zu einem der Haupttreiber der US-Wirtschaft und Innovation ausgebaut werden“, heißt es in dem Papier. Die Bioökonomie-Strategie beschäftigt sich mit den Auswirkungen, die eine biobasierte Wirtschaft auf die US-Industrie heute und zukünftig haben wird und definiert strategische Handlungsfelder. Die USA setzen vor allem auf die Effekte von Forschung und Entwicklung auf die Wirtschaft. Die Triebkräfte dafür sind das Streben nach einer technologisch führenden Position, Wirtschaftswachstum sowie positive soziale und Umwelteffekte. Wie keine zweite Nation auf der Erde setzen die USA in der Bioökonomie auf den Fortschritt in der Biotechnologie. Mit der Gentechnik, DNA-Sequenzierung und molekularbiologischen Hochdurchsatztechnologien entstammen alle drei im Blueprint genannten technologischen Schlüsselbereiche diesem Bereich. Mit Hilfe von neuen Forschungsprogrammen, regulatorischen Maßnahmen und verbesserten Ausbildungsangeboten sollen Forschung und Entwicklung gestärkt und die Translation beschleunigt werden. Zu einem wichtigen Motor zählen die Autoren des Blueprints auch sogenannte Public-Private-Partnerships, also strategische Allianzen von Wissenschaft und Wirtschaft.

Biosprithersteller stoßen sich an 10 Prozent-Marke
Auch die Bioenergie-Strategie des Landes ist relevant für die Bioökonomie. Koordiniert und beschleunigt werden soll die nationale Forschung und Entwicklung zu biobasierten Produkten und Bioenergien über die „Biomass Research and Development Initiative (BRDI)“. Parallel setzt die Regierung seit langem auf steuerliche Anreize, um die Forschungs- und Entwicklungsaktivitäten im privaten Sektor zu fördern. Ein wichtiges Instrument hierfür ist die steuerliche Absetzbarkeit der hierfür eingesetzten Kosten. So wurde ein erstes Tax Credit-Programm bereits 1981 eingeführt. Für den Einsatz von Biotreibstoffen gibt die Environmental Protection Agency (EPA) als Behörde die Standards und Quoten für die Beimischung zu konventionellen Kraftstoffen vor. Bisher gilt in den USA die besonders auf Betreiben der Erdölindustrie gesetzte Beimischungsquote von 10 Prozent Ethanol als Maximum. Die Biosprithersteller haben diese „blend wall“ bereits häufig kritisiert, da sie einst staatlich geförderte Bioenergie-Produkte vom Markt fern halten und privatwirtschaftliche Investitionen in diesem Bereich schrumpfen lassen. USDA investiert in InfrastrukturÄhnlich wie die EU hat auch die EPA im Frühjahr 2015 eine Revision ihres Renewable Fuel Standard (2014 bis 2016) vorgenommen. Die Beimischungsquoten für Raffinerien wurden im Vergleich zu den im Clean Air Act geforderten Mengen gesenkt. Einer der Hauptgründe für die Senkung war auch hier die „blend wall“, welche die Menge des beizumischenden Ethanols limitiert.

Vor diesem Hintergrund hat das Landwirtschaftsministerium im Juni 2015 ein 100 Mio. US-Dollar schweres Förderprogramm aufgelegt, mit dem der Ausbau von Zapfstellen für Biokraftstoffe mit höheren Beimischungen (E15 und E85) bezuschusst werden soll. Ziel ist, durch einen Zuwachs von rund 10.000 Tankstellen, die diese Biokraftstoffe anbieten können, den Markt für Biokraftstoffe zu stimulieren.

Regelungen auf Ebene der Bundesstaaten

Auch die einzelnen Bundesstaaten geben Rahmenbedingungen für die Entwicklung der Bioökonomie vor. Der „Bioenergy Action Plan“ des Bundesstaates Kalifornien fordert, dass mindestens 40% des hier verbrauchten Biosprits bis zum Jahr 2020 vor Ort hergestellt werden soll. Mithilfe des 2010 eingerichteten iHub Innovationszentrums San Diego fördert er unter anderem die Entwicklung von erneuerbaren Kraftstoffen unter Verwendung von Algen und anderen Biomaterialen. Bereits 2007 veröffentlichte North Carolina seinen „North Carolina’s Strategic Plan for Biofuels Leadership“.

Unternehmenslandschaft

Die US-amerikanische Bioökonomie profitiert immens von den politischen Maßnahmen, mit denen das Land nach mehr Unabhängigkeit von Erdölimporten und einer weiteren Verbesserung der Gesundheit der Bevölkerung strebt. Bereits führend in der Biomedizin setzen zahlreiche Unternehmen in Landwirtschaft, Chemie, Nahrungs- und Konsumgüterindustrie inzwischen auch auf biobasierte Verfahren. Hinzukommen die Aktivitäten von ausländischen Konzernen, die vielfach selbst Standorte in den USA betreiben bzw. über Joint Ventures oder strategische Allianzen mit US-Unternehmen verbunden sind.

Viele in der Bioökonomie aktiven Unternehmen finden sich in den Bundesstaaten, die mit ihren lebenswissenschaftlichen Clustern weltweit bereits eine Spitzenstellung einnehmen: Kalifornien, Massachusetts und North Carolina. Andere Bundesstaaten mit großen Beiträgen für die Bioökonomie sind hingegen landwirtschaftlich geprägt, etwa Illinois, Iowa, Tennessee und Indiana im Mittleren Westen. Obwohl in den USA nur 20% des Landes landwirtschaftlich beackert wird, ist die Fläche mit 170 Mio. Hektar größer als in ganz Europa zusammen. Zu den Hauptkulturen gehört Soja und Mais. Die Zahl der landwirtschaftlichen Betriebe auf etwa 150.000 geschätzt. Land-, Forst- und Fischwirtschaft tragen 1% zum BIP bei.

Chemieindustrie wachsender Wirtschaftsfaktor

Neben der Landwirtschaft ist auch die Chemieindustrie ein wachsender Faktor in den USA. So mindert der im internationalen Vergleich niedrige Gaspreis in den USA die Herstellungskosten energieintensiver Produkte. Davon profitiert auch die chemische Industriebei der Herstellung von Chemikalien, Kunststoffen und Düngern. So berichtet ein Marktbericht von Germany Trade & Invest zum US-Chemiemarkt, dass das Marktvolumen von chemischen Erzeugnissen in den USA im Jahr 2015 Schätzungen des American Chemistry Council (ACC) zufolge um 5,4% auf 853,7 Mrd. US$ steigen soll. Für 2016 rechnet der Branchenverband mit einem Plus von 3,6%. Der ACC geht davon aus, dass 2015 die Inlandsnachfrage zu 24,2% durch Importe abgedeckt wird; die Exportquote soll bei 23,7% liegen. Die Zunahme des Produktionsvolumens soll 2015 geografisch breit ausfallen. Die höchsten Wachstumsraten dürften dabei das Ohio Valley mit 4,1% und die Golfküste mit 3,8% aufweisen.
Die Investitionsausgaben der US-Chemieindustrie werden nach Schätzungen des ACC 2015 kräftig um 8,8% zunehmen; bei den Ausgaben für Forschung und Entwicklung (F&E) rechnet der Branchenverband mit einem Plus von 3,3%. Diese Steigerungen sind jedoch vor allem durch Aktivitäten im Bereich Schiefergas zu erwarten. Speziell die mit Schiefergas in Verbindung stehenden potenziellen Investitionen der Chemiebranche haben laut ACC im September 2014 die Marke von 125 Mrd. US$ erreicht. Die erfassten 197 Projekte - darunter neue Fabriken, Erweiterungen sowie Prozessänderungen zur Kapazitätsvergrößerung - könnten zu neuen Auslieferungen in Höhe von 91 Mrd. US$ sowie zu 60.730 dauerhaften neuen Chemiearbeitsplätzen bis 2023 führen.
Biobasierte Chemie auf dem Vormarsch

Sowohl in der Chemieindustrie als auch in der Landwirtschaft ist die Bioökonomie aber inzwischen ebenfalls zu einem wichtigen Faktor geworden. Zu den prominenten Unternehmen in der Bioökonomie gehören eine Reihe von Großkonzernen wie der Chemieriese DuPont und der Agrarkonzern Monsanto. Der in der chemischen Industrie wurzelnde heutige Technologiekonzern DuPont gehört zu den führenden Akteuren in der US-Bioökonomie. Er setzt sich bereits seit mehr als zehn Jahren mit der Herstellung biobasierter Produkte auseinander und kombiniert moderne Biologie mit seinem Wissen in Chemie, Anlagenbau und Materialwissenschaften. Im Verlauf seiner Geschichte änderte das Unternehmen mehrmals seine Schwerpunkte und baute sein Geschäft durch Zu- (Saatgut) und Verkäufe (Gesundheit) sowie Beteiligungen (PKW) immer wieder erfolgreich um. Diese waren gekoppelt an globale Trends wie den steigenden Bedarf an Nahrungsmitteln oder aktuell nach nachhaltigen Produkten. Derzeit strebt der Konzern eine führende Position in der industriellen Biotechnologie an. Hierfür übernahm der Konzern 2011 für 5,8 Mrd. US-Dollar den dänischen Enzymspezialisten Danisco. Eine Pilotanlage von DuPont stellt seit 2009 Bioethanol der 2. Generation her. 2012 begann der Bau einer Anlage für dessen kommerzielle Herstellung. Zusammen mit dem britischen Ölkonzern BP gründete DuPont 2009 das Joint Venture Butamax Advanced Biofuels, das Biobutanol vermarkten soll. In Europa ist seine Tochter Pioneer für ihre gentechnisch veränderten Getreidesorten bekannt.

US-Konzerne als Vorreiter beim Thema Bioplastik

Viele US-Großkonzerne sind zudem Vorreiter im Bereich Bioplastik. Die Firma Natureworks zählt zu den wichtigsten globalen Pionier-Produzenten von Bioplastik. Darüber hinaus gibt es etliche Großkonzerne, die sich dem Thema verschrieben haben. Im Juni 2012 hatten Coca-Cola, Ford, Heinz, Procter & Gamble eine Initiative gegründet, um F&E in diesem Bereich gemeinsam voranzutreiben. 2013 haben sich diese Firmen mit weiteren Unternehmen sowie einer Umweltorganisation zur Bioplastik-Rohstoff-Allianz (‚Bioplastic Feedstock Alliance‘ - BFA) zusammengeschlossen. Coca-Cola, Danone, Ford, H. J. Heinz, Nestle, Nike, Procter & Gamble, Unilever und der World Wildlife Fund (WWF) wollen hier die Möglichkeiten eruieren, Verpackungen aus einer nachhaltigen Biokunststoffvariante herzustellen. Der in den USA ansässige Konsumgüterriese Procter & Gamble verfolgt den ehrgeizigen Plan, sein Verpackungsmaterial langfristig vollständig aus recycelten Materialien herzustellen. Bioplastik ist ein wichtiger Teil dieser Strategie. Aber auch in der Landwirtschaft gibt es immer mehr Nachhaltigkeitsbestrebungen.

Agrarkonzerne setzen auf Präzisionslandwirtschaft und Biologicals
Zu den Größen des Landes zählt Monsanto. Der Agarkonzern sitzt in St. Louis im US-Bundesstaat Missouri und hat in mehr als 60 Ländern Niederlassungen. Das Unternehmen gilt als weltgrößter Agrokonzern der seinen Umsatz mit gentechnisch verändertem Saatgut wie Mais, Soja und Baumwolle sowie Pflanzenschutzmitteln generiert, sich aber auch zunehmend in der nachhaltigen Landwirtschaft engagiert, etwa beim Einsatz von Big Data im Rahmen der Präzisionslandwirtschaft. Auf diese Weise soll der Einsatz von Pestiziden und Dünger besser gemanagt werden. Das Unternehmen setzte früh auf die genetische Optimierung von Pflanzen, konnte in Europa damit im Gegensatz zur restlichen Welt allerdings nicht Fuß fassen. Das weltweit tätige Agrarunternehmen Simplot produziert unter anderem Saatgut, Düngemittel, Gefriergut und vertreibt eigene Lebensmittelmarken. 2014 wurden 1,7 Mrd Dollar in neue Technologien investiert. In St. Louis sollen mehr als 600 neue Forscher eingestellt werden. Vorreiter ist der Konzern bei der Markergestützten Selektion, darüber werden alle Pflanzensorten systematisch sequenziert und digital erfasst. Im Jahr 2013 hatte Monsanto die Firma Climate Corporation für 930 Mio. Dollar gekauft. Die Firma hatte Milliarden von Bodendaten gesammelt und umfänglichen Klima- und Wettersimulationen zugeordnet. Sie bilden die Basis für das Beratungspaket "Climate Pro", das Monsanto Farmern künftig anbieten will. Des weiteren wurde die Mikrobensammlung der kalifornischen Firma Agradis erworben, die biologische Hilfsmittel für die Landwirtschaft erforscht. 2014 besiegelte Monsanto zudem eine Allianz mit Novozymes in Dänemark (BioAgAlliance). Das Unternehmen gilt weltweit als führend bei der biotechnologischen Erkundung von Bakterien, Pilzen und anderen Mikroorganismen sowie der Herstellung von Enzymen. Zunehmend widmen sie sich auch Mikroorganismen, die als natürliches Insektizid arbeiten, Pflanzen stärken oder ihnen dabei helfen, Phosphat und Stickstoff aufzunehmen.

Bioraffinerien und grüne Chemie
Bioraffinerien, also Anlagen für die möglichst effiziente Verwertung von Biomasse, sind in den USA auf dem Vormarsch. Der Branchendienst Biofuelsdigest listet mehr als 400 auf. Klarer Schwerpunkt sind bisher die Herstellung von Bioethanol und Drop-in-Kraftstoffen der 1. und 2. Generation sowie von Biodiesel. Entscheidend zu dieser Entwicklung beigetragen hat der U.S. Renewable Fuel Standard (RFS) der Regierung, der künftige Beimischungsquoten für Biosprit festlegt (mehr Infos: hier klicken).  Insgesamt zwölf Anlagen zur Herstellung biobasierter Chemikalien führt der Branchendienst Biofuelsdigest für die USA auf. Aktiv sind große Unternehmen wie der führende Rohstoffhändler Archer Daniels oder der Chemiekonzern DuPont wie auch zahlreiche (Bio)Technologiefirmen wie Amyris, Aurora Algae, Gevo, Metabolix, POET, Solazyme und Verdezyne.

Bioökonomie profitiert von Biotech-Branche
Das Batelle-Institut erhebt regelmäßig den Biotech-Sektor des Landes. Demnach haben im Jahr 2012 mehr als 76.000 Personen im Bereich landwirtschaftlicher Rohstoffe, Agrochemikalien und Biokraftstoffe gearbeitet. Hinzukommen 284.000 Menschen in der biopharmazeutischen Industrie. Laut einem Bericht der Beratungsfirma Biodesic wurden bereits im Jahr 2010 mit industrieller Biotechnologie 115 Mrd. US-Dollar in den USA umgesetzt , dies dürfte inzwischen deutlich mehr sein. Der Markt für gentechnisch veränderte Pflanzen wurde im Jahr 2012 vom US-Landwirtschaftsministerium auf 76 Mrd. US-Dollar geschätzt. Biopharmazeutika setzten in den USA nach Angaben von IMS Health rund 90 Mrd. US-Dollar um (2014). Diese Zahlen belegen, dass Teilbereiche der Bioökonomie in den USA bereits ein beachtlicher Wirtschaftsfaktor sind.

Mit Blick auf die Anzahl der im Land aktiven Biotech-Unternehmen zählt das Beratungshaus Ernst & Young mehr als 2.300 (2013). Die USA gehören damit zu den größten Biotech-Nationen der Wet. Allein in San Diego zählen laut dem kalifornischen Biotech-Verband BIOCOM rund 680 Firmen zur industriellen Biotechnologie, die für die Bioökonomie von besonderer Bedeutung sind. Einer der wichtigsten Arbeitgeber war hier lange Zeit BP Biofuels, eine Unternehmung des britischen Ölkonzerns British Petroleum. Allerdings entschied der Konzern im Jahr 2014, seine Biokraftstoffaktivitäten auf Brasilien zu konzentrieren. Ein Grund: die gefallenen Ölpreise. Folglich stehen der Standort San Diego und eine Pilotanlage in Louisiana inzwischen zum Verkauf. Auch die Region North Carolina ist hervorzueheben. Hier zählt der Wirtschaftsförderer North Carolina Biotechnology Center mehr als 600 Firmen im Bereich Lebenswissenschaften mit Schwerpunkten unter anderem in Biomedizin, Agrobiotechnologie und Spezialchemikalien. Mehr als 80 Firmen sind in der Agrobiotechnolgie tätig, 40 Firmen fallen in den Bereich Biokraftstoffe. Aber auch in anderen Bundesstaaten gibt es interessante Entwicklungen. Die OPX Biotechnologies aus Colorado ist beispielsweise auf die synthetische Biologie spezialisiert. Ziel des Unternehmens sind insbesondere biobasierte Chemikalien. So konnte in einer Zusammenarbeit mit dem Chemiekonzern Dow Chemical Acrylsäure aus nachwachsenden Rohstoffen hergestellt werden. Die in Kalifornien ansässige Verdezyne wiederum kann mit ihren gentechnisch optimierten Hefen bereits Adipinsäure (einem Baustein für verschiedene Kunststoffe), Sebacinsäure (einem Grundstoff für den Kunststoff Nylon) und Dodecandisäure, einem vielfältig einsetzbaren Baustein, produzieren.

Starker Risikokapitalmarkt
Ausschlaggebend für den Erfolg der Unternehmen ist auch der starke Risikokapitalmarkt in den USA. Im Vergleich mit Europa erleichtert dieser Zugang zu Kapital, neue Produkte zu entwickeln und zu kommerzialisieren. Allein die Zahlen für die Biotech-Branche verdeutlichen dies: So investierten Investoren laut dem Batelle-Institut in den Jahren 2009 bis 2013 in die medizinischen Biotechnologie mehr als 18 Mrd., in die industrielle Biotechnologie 2 Mrd. und in die Biokraftstoff-Industrie 1,3 Mrd. US-Dollar.  Hinzukommt ein starkes Börsenumfeld.
Europäische Firmen auf dem US-Markt
Aufgrund des attraktiven Marktes gibt es ein großes Engagement ausländischer Firmen in den USA. Die Unternehmenszentrale der deutschen BASF Plant Science, einer Tochter des Ludwigshafener BASF-Konzerns, sitzt in Raleigh, North Carolina. Das Unternehmen hatte sich entschieden, seine Pflanzenbiotechnologie-Aktivitäten auf die Märkte in Nord- und Südamerika zu konzentrieren. Auch der detusche Chemiekonzern Evonik ist mit zahlreichen Standorten in den USA vertreten. Syngenta aus der Schweiz, einer der weltweit führenden Saatgut- und Pflanzenschutzmittelhersteller, operiert ebenfalls aus North Carolina heraus. Auch die Forschungs- und Entwicklungsabteilung der kanadischen BioAmber sitzt im US-Bundesstaat Minnesota. Hauptprodukt des Unternehmens ist Bio-Bernsteinsäure, die als Vorstufe für Kunststoffe, Pflegeprodukte oder als Geschmacksverstärker in der Lebensmittelindustrie eingesetzt werden kann.

Dänische Novozymes als strategischer Partner für US-Konzerne

Viele in der europäischen Bioökonomie aktive Biotech-Firmen wie Novozymes oder DSM sind in den USA stark aktiv. So setzt Novozymes aus Dänemark in den USA u.a. seine Expertise zur Entwicklung von Biokraftstoffen ein. Förderlich wirkte, dass das Unternehmen schon früh an Lösungen zur Herstellung von Biokraftstoffen arbeitete und Kooperationen mit führenden Unternehmen wie dem US-Bioethanolhersteller POET eingehen konnte. Parallel erhielt das Unternehmen im Rahmen des „Biomass Research and Development Act of 2000“ Fördermittel des US Department of Energy (DOE) für die Entwicklung von Enzymen für die Herstellung von Bioethanol und Biochemikalien. Daneben profitierte der Konzern von Steuererleichterungen, mit denen die US-Regierung die Etablierung „Grüner Industrien“ unterstützt. Auch mit dem Agrarkonzern Monsanto unterhält Novozymes eine strategische Allianz.

DSM und POET: Bioraffinerie für Cellulose-Biosprit

Ähnlich aktiv ist die niederländische DSM. Auch sie ist Teil mehrerer Konsortien, die vom US Department of Energy (DOE) gefördert wurde, um Enzyme für die Herstellung von Biochemikalien und Bioethanol der 2. Generation zu entwickeln. Gemeinsam mit POET hat DSM im Joint Venture Liberty die bisher größte kommerzielle Anlage zur Herstellung von Cellulose-Biosprit errichtet. Die Einweihung fand im Jahr 2014 statt.

Forschungslandschaft

 Die USA sind eines der weltweit führenden Länder bei der Förderung von Forschung und Entwicklung. So ist die Bioökonomie inzwischen auch fest in der Forschung verankert. Es existiert ein breites Netz aus universitären und außeruniversitären Einrichtungen, die sich über das Land verteilen. Landwirtschaftlich geprägte Bundesstaaten setzen einen Schwerpunkt in der Biokraftstoffforschung, eher technologisch geprägte West- und Ostküstenstaaten setzen auf industrielle Anwendungen und sind stark in der Biomedizin.

Bioökonomie-Institute für biobasierte Forschung

Im ländlich geprägten und durch den Maisanbau bekannten Iowa arbeiten mehr als 230 Wissenschaftler am Bioeconomy Institute (BEI) der Iowa State University. Verteilt auf acht Departments, konzentrieren sie sich auf biobasierte Lösungen, die pflanzliche Rohstoffe nutzen – insbesondere auf Biokraftstoffe und Bioenergie. An der Michigan State University (MSU) liegt ein Schwerpunkt in der Pflanzenforschung und den Ingenieurwissenschaften. Diese Expertise floss bereits 2007 in ein Gemeinschaftsprojekt mit der University of Wisconsin-Madison ein, dem Great Lakes Bioenergy Research Center (GLBRC). Im Zentrum der Forscher stehen hier Biokraftstoffe auf Cellulose-Basis. Angebunden an die MSU sind auch das Michigan Biotechnology Institute (MBI) und das Bioeconomy Institute. Beide arbeiten und bieten Lösungen für Aufskalierungen in der industriellen Biotechnologie. Kalifornien ist das Schwergewicht an der Westküste.

An der University of California Riverside (UCR) suchen die Mitarbeiter nach neuen Wegen, um Biomaterialien, bioenzymatische und metabolische Prozesse besser zu verstehen und zu nutzen. Die Schwesteruniversität in Los Angeles (UCLA) zählt zu den gefragtesten des gesamten Landes. Sie machte sich einen Namen unter anderem mit Technologien für eine grüne Chemie und hat hierzu ein Umweltdepartment eingerichtet. Algen sind die Arbeitstiere an der Universität in San Diego (UCSD). Mit ihnen möchten die Forscher therapeutische Proteine und Biokraftstoffe herstellen. Hierfür setzen sie auch auf aus der pharmazeutischen Industrie bekannte Hochdurchsatzverfahren. Das ebenfalls in San Diego ansässige California Center for Algae Biotechnology (Cal-CAB) vereint seit 2008 universitäre und außeruniversitäre Forschungskooperationen unter einem Dach. Partner aus der Industrie beteiligen sich ebenfalls. An der Ostküste, an der University of Maryland, wiederum modifizieren Wissenschaftler Stoffwechselprozesse von Mikroorganismen. Dadurch soll die Produktion rekombinanter Proteine gesteigert werden.

Forschungsschwerpunkt Nachhaltige Bioenergie

Wissenschaftler der Cornell University im Bundesstaat New York sind in der Pflanzenforschung verwurzelt. Ein Thema ist die Nachhaltigkeit der Biosprit-Produktion. Am Dartmouth College im Bundesstaat New Hampshire, einer der ältesten Universitäten der USA, werden Mikroben, die Holz abbauen können, und die Konversion von Biomasse untersucht. Am Florida Center for Renewable Chemicals and Fuels (FCRC) der University of Florida ist die weiße Biotechnologie Kernthema. Neben Bioethanol geht es um die Herstellung von Biochemikalien. Der synthetischen Biologie widmen sich zahlreiche akademische Gruppen. In Massachusetts die Boston und die Harvard University sowie das Massachusetts Institute of Technology (MIT), in Kalifornien die Stanford University und die University of California . Flankiert wird die angewandte Forschung von einem wissenschaftlich geprägten, theoretischen Überbau, der sich mit Maßnahmen und Initiativen auseinandersetzt. Beispielsweise an der Columbia University in New York, am Center for Global Energy Policy und in North Carolina am Duke Center for Sustainability & Commerce.

Public-Private-Partnership zwischen BP und University of California

Als größte Public-Private-Partnership in seinem Bereich sorgte das Energy Biosciences Institute für Aufsehen. 2007 vom britischen Ölkonzern British Petroleum (BP) über einen internationalen Wettbewerb ausgelobt und über zehn Jahre mit 500 Mio. US-Dollar von diesem kofinanziert, arbeiten vier Partner an gemeinsamen Fragestellungen: die University of California in Berkeley, das Lawrence Berkeley National Laboratory, die University of Illinois als Spezialist für Landwirtschaft und der Industriepartner BP.

Große Bedeutung der Ressortforschung für US-Bioökonomie

Neben den Universitäten spielen die einzelnen Ministerien zugeordneten wissenschaftlichen Einrichtungen, vergleichbar mit den Instituten der Ressortforschung in Deutschland, eine richtungsweisende Rolle in der US-Bioökonomie. Das Oak Ridge National Laboratory gilt als größtes Forschungsinstitut des Energieministeriums. Hier stehen Grundlagen- und angewandte Forschung im Zentrum der Aktivitäten, um Antworten auf Fragen zur zukünftigen Energiesicherung zu finden. In seine Verantwortung fällt auch das BioEnergy Research Center (BESC). Das Joint BioEnergy Institute (JBEI) leitet das Lawrence Berkeley National Laboratory. Wichtigstes Labor der USA für erneuerbare Energien ist das National Renewable Energy Laboratory (NREL). Es wird ebenfalls vom US-Energieministerium finanziert und engagiert sich in der Umwandlung von Biomasse in Bioenergie oder Biochemikalien. In der angegliederten Pilotanlage, der Integrated Biorefinery Research Facility (IBRF), kommen neue Bioprozesse auf den Prüfstand.

Genomseqzenzierung als Basis für Biokraftstoffforschung

Am Joint Genome Institute (JGI) des Ministeriums spielt die Sequenzierung von Bioenergiepflanzen oder Mikroorganismen, die Lignin und Cellulose abbauen können, eine Schlüsselrolle. Künftig soll auch die synthetische Biologie massiv ausgebaut werden und bei der Biokraftstoffforschung weitere Fortschritte erlauben. Das National Institute of Standards and Technology (NIST) führt bereits eine Initiative an, die sich für Standards in der synthetischen Biologie einsetzt. Der National Science Foundation (NSF), eine unabhängige Einrichtung der Regierung der Vereinigten Staaten, kommt eine zentrale Rolle bei der finanziellen Unterstützung von Forschung und Bildung zu. So unterstützt sie grundlagen-orientierte Projekte in allen Feldern der Wissenschaften mit Ausnahme der Medizin. Um transnationale Partnerschaften in der synthetischen Biologie zu fördern, beteiligte sich die NSF auch an der ERASynBio-Ausschreibung im Rahmen des siebten Forschungsrahmenprogramms der Europäischen Union.

Die Biomedizinische Forschung wird dagegen von den National Institutes of Health (NIH) gefördert. Auch in diesem Sektor gibt es zahlreiche Kooperationsprojekte mit europäischen und deutschen Partnern. Forschungsprojekte von nationalem Interesse sind in den USA undenkbar ohne die finanzielle Förderung durch unterschiedliche Ministerien. Das U.S. Department of Energy (DoE), das Energieministerium, bringt einen erheblichen Anteil auf und unterstützt beispielsweise Großprojekte wie das GLBRC oder Bioraffinerien mit Millionen-Beträgen. Das Landwirtschaftsministerium, Department of Agriculture, fördert unter anderem Projekte zur Nutzung von Biomasse. Die einzelnen Bundestaaten und die Universitäten tragen ebenfalls monetär zur Forschung bei. So förderte der Michigan Strategic Fund zusammen mit der MSU die Kommerzialisierung biobasierter universitärer Projekte. Die California Energy Commission finanzierte u.a. Arbeiten zu Drop-in-Biokraftstoffen.

Privat finanzierte universitäre Forschung ist ein weiteres herausstechendes Merkmal der US-Forschungslandschaft. Die Entwicklung und das Wachstum von Innovationsclustern unterstützen auch dem Handelsministerium unterstellte Behörden wie die Economic Development Administration (EDA) und die Small Business Admistration (SBA) durch die Vergabe von Fördermitteln.

Hintergrund

Schwerpunkte: Bioenergie, Agrarwirtschaft, Chemie

Bioökonomie-Initiativen:

National Bioeconomy Blueprint (2012)
BioPreferred Program

zusätzliche Regelungen auf Ebene der Bundesstaaten sowie der Industrie (Bioplastic Feedstock Alliance)

Öffentliche Forschungsförderung:

National Science Foundation
US Department of Energie (DoE)
Department of Agriculture

Gesetzeslage:
GV-Anbau erlaubt; steuerliche Förderung für Biosprit+Biomassenutzung