Biotechnologie in Argentinien

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Die Flagge von Argentinien Quelle: Wikimedia Commons

Argentinien liefert sich mit Brasilien einen Wettlauf um den Titel als stärkste Biotechnologie-Nation in Lateinamerika. Die Branche ist zwar noch längst nicht auf gleicher Höhe zu Europa und Nordamerika, aber auf einem steten Weg nach oben. Das ressourcenreiche Argentinien ist die weltweit drittgrößte Anbaunation für gentechnisch veränderte Pflanzen. In der medizinischen Biotechnologie steht die Herstellung von Impfstoffen, aber auch von biologischen Nachahmerpräparaten, den Biosimilars, hoch im Kurs.

Wirtschaftliche Situation

Argentinien ist mit einer Fläche von fast 2,8 Mio. Quadratkilometern das zweitgrößte Land Lateinamerikas, damit zehnmal so groß wie Deutschland und verfügt über eine Küstenlinie von 3.900 km von Nord nach Süd und weiteren 1.400 Kilometer von Ost nach West in den Gebieten Patagoniens und den kalten Wassern der Antarktis. Insgesamt leben in  Argentinien ca. 41 Mio. Menschen (Stand März 2012) mit einem jährlichen Wachstum von 0,9 Prozent. Die Einwohnerdichte beträgt 14,4 Einwohner pro km2, dieser Wert ist jedoch wenig aussagekräftig, da 87 Prozent der Bevölkerung sich in den Großstädten konzentriert. Allein 12,8 Mio. in der Provinz Buenos Aires (2,89 Mio. in der Hauptstadt). Argentinien ist zurzeit die wichtigste Volkswirtschaft des spanischsprachigen Südamerikas und liegt innerhalb Lateinamerikas nach Brasilien und Mexiko auf dem dritten Rang. Der argentinische Bankensektor ist weitgehend vom internationalen Finanzmarkt unabhängig und wurde deshalb von den Finanzkrisen der letzten Jahre nicht stark betroffen. Das Land erwirtschaftete 2010 ein Bruttoinlandsprodukt (BIP) von 368,7 Mrd. US-Dollar (ca. 276 Mrd. EUR) und ein BIP pro Kopf von 9.200 US-Dollar (ca. 6.888. EUR). Das Wachstum 2011 betrug ca. 9,1% (2010 Gesamtjahr 9,2%). Für 2012 erwartet die Regierung 5% , private Analysten und internationale Wirtschaftsorganisationen ca. 3,7% eine Abschwächung des Wachstums. Das BIP 2011 teilte sich (in Prozent) auf in: Handel und Dienstleistungen (52,8); Industrieproduktion (18,3); Land- und Forstwirtschaft (11,2); Baugewerbe (5,1) und Bergbau (3). Der Konjunkturmotor des Landes ist die seit Jahren stark wachsende Kfz-Branche, die Metallbranche und, viel niedriger, die Nahrungsmittelindustrie, die Textilindustrie, Papier und Pappe sowie Chemie. Das größte Problem der argentinischen Wirtschaft ist die hohe Inflationsrate, sie lag 2011 bei 9,5% und 2010 bei 10,9%. Als Wachstumsbremse wirkt zudem das gestörte Vertrauen der internationalen Investoren. Eine Stärken-Schwächen-Analyse der Außenhandelsagentur Germany Trade and Invest sieht die umfangreichen natürlichen Ressourcen und die sehr produktiven Landwirtschaft als wichtigste Pfunde Argentiniens. Als nachteilig wird die geringe Wettbewerbsfähigkeit vieler Industrieunternehmen, die ungleiche Einkommensverteilung und der hoher Anteil der informellen Wirtschaft gesehen. Obwohl das Andenland über ein großes Potenzial an konventionellen und erneuerbaren Energien verfügt, drohen Engpässe in der Energieversorgung. Besonders die Rohstoff- und Energiewirtschaft leidet unter dem Investitionsstau.

Rund 120 Biotechnologie-Unternehmen

Vor diesem Hintergrund hat sich in Argentinien inzwischen auch ein Biotechnologie-Sektor mit rund 120 Unternehmen etabliert, davon acht große und je etwa 50 kleine und mittlere Unternehmen. Eine detaillierte Firmenstatistik liegt nicht vor. Nach Angaben des Netzwerks „Argentine Forum on Biotechnology (FAB)“ waren 2006 insgesamt  23% der Firmen in Saatgut-Produktion und Pflanzenzüchtung, 12% in Tiergesundheit, 12% in Ernährung und 24% im Bereich menschliche Ernährung aktiv. Weitere 29% der Firmen waren dem Bereich Medizin (v.a. Impfstoffe) zuzuordnen. Der Umsatz der Firmen beläuft sich – damals und heute – auf 3,1 Mrd. Peso (380 Mio. Euro) – ein Viertel davon geht in den Export. Mit etwas mehr als 5% des Umsatzes investieren die Firmen aber deutlich weniger in Forschung und Entwicklung (FuE) als die internationale Konkurrenz. Geschätzt arbeiten etwa 3.000 bis 5.000 Angestellte in dem Sektor, die Hälfte davon sind Akademiker. 2006 arbeiteten jeweils 36% in den Bereichen Humanmedizin und Samen/Pflanzen, jeweils etwa 10% in den Bereichen Impfstoffe, Tiergesundheit und Ernährung. Medienberichten zufolge erhalten viele der Firmen finanzielle Unterstützung durch das Fondo Tecnológico Nacional (Fontar). 

Agrarwirtschaft

Wirtschaftlich gesehen punktet Argentinien insbesondere mit seinem Agrarsektor. Argentinien zählt zu den Nationen, die im großen Stil gentechnisch veränderte Nutzpflanzen anbauen. Nahezu 100 Prozent des angebauten Sojas, und ein fast ebenso hoher Prozentsatz von Mais (84%) und Baumwoll-Pflanzen (99%) sind gentechnisch verändert. In absoluten Zahlen bedeutet das Platz drei mit 23,9 Millionen Hektar Anbaufläche hinter den USA und Brasilien (2012, ISAAA). Mit der Verdreifachung der Anbaufläche für Soja innerhalb weniger Jahre auf 20,2 Millionen Hektar änderte sich auch die Viehhaltung. So stehen inzwischen immer mehr Rinder in Ställen, die mit Soja und Mais gefüttert werden. Während bei der kommerziell wichtigsten Soja-Sorte eine Pestizidresistenz eingebaut wurde, stellt die wichtigste Maissorte ein Insektizid selbst her. Mit weitem Abstand folgen gv-Mais (3,3 Millionen Hektar) und gv-Baumwolle (0,35 Millionen Hektar).

Kooperationen mit internationalen Partnern

Internationale Aufmerksamkeit erhalten insbesondere Entwicklungen aus der Pflanzenbiotechnologie. So wurde 2013 bekannt, dass das argentinische Biotech-Unternehmen Bioceres gemeinsam mit dem französischen Pflanzenzüchter Florimond Desprez im Jahr 2016 den weltweit ersten genetisch veränderten Weizen auf den Markt bringen will. Bereits 2013 soll ein erster Feldversuch angelaufen sein. Bioceres gab an, dass beide Unternehmen zusammen umgerechnet insgesamt 7,7 Mio. Euro in die Entwicklung investieren. Die neue Weizensorte soll durch ein bis zu 15% gesteigertes Ertragspotenzial sowie eine verbesserte Hitze- und Salzresistenz punkten. Dafür wurde das Gen HB4 der Sonnenblume in das Weizen-Genom eingefügt. Die Technologie wurde laut Unternehmensangaben in mehr als zehn Jahren Arbeit von Bioceres zusammen mit dem argentinischen Nationalen Rat für Wissenschaft und Technologie (Conicet) entwickelt. Bioceres ist eine der wichtigsten Firmen im modernen Agrarsektor mit Sitz in Rosario, arbeitet an der Schnittstelle zwischen grüner und industrieller Biotechnologie und stellt damit auch ein wichtiges Standbein einer künftigen Bioökonomie-Strategie dar. 2001 von 23 Landwirten gegründet, gehören dem Unternehmen inzwischen mehr als 250 Gesellschafter aus ganz Lateinamerika an. Das Unternehmen hat unter anderem Plattformtechnologien zur Erhöhung des Nutzens beim Anbau von Weizen (Wasserstress), Alfalfa, Soja und Mais entwickelt. Bioceres verfolgt aber auch Projekte aus dem Bereich Biofarming. Unter anderem hat die Firma genetisch veränderte Färberdisteln hergestellt, deren Samen nun ein ökonomisch interessantes Enzym herstellt. Das sogenannte Chymosin ist ein Enzym aus dem Labmagen von Rindern. In der Industrie wird es zur Spaltung von Milcheiweiß bei der Produktion von Käse eingesetzt. Das als SPC vertriebene Produkt soll durch Hefen oder Schimmelpilze in Bioreaktoren hergestelltem Chymosin in Bezug auf die Kosten, die Produktsicherheit und Lagerung überlegen sein. Außerdem entwickelt Bioceres Färberdistelsamen mit Zellulasen. Diese können in Zukunft zum Abbau von Zellulose aus landwirtschaftlichen oder forstwirtschaftlichen Reststoffen eingesetzt werden, um fermentierbare Zucker zu erhalten. Die Unternehmensgruppe beschäftigt mehr als 100 Mitarbeiter, mehr als die Hälfte davon im Bereich FuE. Durch seinen Ursprung in der Landwirtschaft hat die Firma einen direkten Draht zu den Landwirten und weiß um deren Bedürfnisse und Nöte bei der Biomasseherstellung.Argentinische Unternehmen sind aber auch auf dem Radar deutscher Konzerne. So berichtete Bayer Cropscience im Dezember 2013 über die Übernahme eines Startups aus Buenos Aires: FN Semillas S.A. wurde 2010 gegründet und ist auf gv-Soja spezialisiert. Die Übernahme stärkt die Präsenz Bayers auf dem argentinischen Markt. Auch andere argentinische Firmen arbeiten an der Verbesserung von Nutzpflanzen mit Hilfe der Gentechnik. So erhielt ein Team von Nidera Semillas S.A. im Oktober 2013 einen Forschungspreis für die Entdeckung eines Sonnenblumengens, das Einfluss auf die Wuchshöhe dieser Pflanze hat. Niedere Wuchshöhen machen die Pflanze stabiler, so dass Sorten mit einer höheren Anzahl an ölhaltigen Samen gezüchtet werden können. 

Gesundheitswirtschaft

Auch in Argentinien werden Medikamente und Diagnostika produziert. Im Vergleich zu anderen Schwellenländern tummeln sich in diesem Sektor viele einheimische und relativ wenig internationale Firmen. Rund 58% des Marktes werden von lokalen Firmen bedient. Besonders stark sind die Unternehmen Roemmers und Bagó, die auf den hohen Bekanntheitsgrad ihrer Marken sowie auf ihre Vertriebsnetze bauen. Im Durchschnitt liegen die Umsätze der argentinischen Unternehmen um den Faktor 10 niedriger als im weltweiten Schnitt. Auch die FuE-Ausgaben liegen deutlich niedriger anderswo. Wie in anderen Branchen, verlangt die Regierung des Landes auch vom Arzneimittelsektor, die Importe zunehmend durch Exporte auszugleichen. In den vergangenen Monaten wurden daher zahlreiche Investitionsprojekte angekündigt. Argentiniens Importe von pharmazeutischen Produkten erreichten 2011 einen Wert von 1,8 Mrd. US-Dollar (+14,4% gegenüber dem Vorjahr). Dem standen Exporte von 830 Mio. US-Dollar gegenüber (+20,0%). Die wichtigsten Ursprungsländer der Importe sind Deutschland und die USA mit je 17% des gesamten Einfuhrwerts. Die Exporte gehen überwiegend in andere Länder Lateinamerikas. Im Jahr 2011 erreichte die lokale Pharmaindustrie nach Angaben des Nationalen Statistikinstituts Indec einen Gesamtumsatz von 17,9 Mrd. argentinischen Peso (ca. 3,2 Mrd. Euro). Damit bleibt dieser Sektor ein Wachstumsmarkt. Gegenüber dem Vorjahr stieg der Umsatz um 26,1%. 70% des Umsatzes gehen auf das Konto des Verkaufs von lokal hergestellten Arzneimitteln sowie 23,5% auf den Weiterverkauf von importierten Erzeugnissen. Die Statistik deckt etwa 85 bis 90% der Branchenunternehmen ab. Der Abbau des Außenhandelsdefizits wird durch zweierlei Maßnahmen forciert. Zum einen, so heißt es in einer Analyse von Germany Trade and Invest, soll der Import ausländischer Arzneimittel, für die Konkurrenzpräparate aus lokaler Produktion existieren, beschränkt werden. Zum anderen bietet die Regierung Förderkredite für die Finanzierung von Investitionsprojekten lokaler Hersteller.

Rekombinante Protein-Wirkstoffe und Biosimilars

50% der Umsätze im Sektor Pharma und Biotechnologie werden von weltweit agierenden Konzernen erwirtschaftet. Ein wichtiger lokaler Hersteller ist Biosidus S.A. aus Buenos Aires. Gegründet 1983 war Biosidus die erste Firma in Lateinamerika, der die Produktion rekombinanter therapeutischer Proteine gelang. Auf Biosimilars spezialisiert, arbeitet die Firma aber auch an Eigenentwicklungen wie zum Beispiel einer Gentherapie in einer Herz-Kreislauf-Indikation. Auf die Herstellung von Biotech-Nachahmer-Präparaten spezialisiert ist auch die Firma Amega Biotech mit Produktionsstandorten in Buenos Aires und Santa Fe. Mitgründer der 2005 entstandenen Firma mit heute 350 Mitarbeitern sind bedeutende Biotech-Investoren aus Deutschland, die Zwillingsbrüder Andreas und Thomas Strüngmann. Zu den wichtigsten Investitionen in der Biopharma-Branche der vergangenen Jahre zählt eine Anlage zur Produktion von Krebsmedikamenten im Industriepark Pilar für 31 Mio. US-Dollar durch den indischen Produzent Glenmark. Auch der auf Krebs- und Aidsmedikamente spezialisierte argentinische Hersteller Laboratorios Richmond investierte dort 14 Mio. US-Dollar in eine neue Anlage. Fada Pharma, zur chilenischen Gruppe Recalcine gehörig, nahm nach einer Investition von 20 Mio. US-Dollar in Pilar mittlerweile die Produktion von Krebsmedikamenten auf. Pilar, ein Vorort westlich von Buenos Aires, hat sich damit in den vergangenen Jahren zu einem Zentrum der Pharmaindustrie entwickelt. Direkt vor den Toren Buenos Aires in Munro gelegen, ist die nach eigenen Angaben erste Fabrik zur Produktion monoklonaler Antikörper in Südamerika. Rund 15 Mio. US-Dollar investierte die Firma PharmADN in den Aufbau. PharmADN ist Teil der spanischen Firma Chemo, die wiederum zur Insud-Gruppe gehört. Zu dem von dem argentinischen Unternehmer Hugo Sigman geführten Insud-Konzern gehören unter anderem noch die Biotech-Firmen Mabxience und Sinergium-Biotech. Letzteres, gemeinsam mit Elea Laboratories, Biogenesis Bagó and Novartis Argentina auf die Beine gestellt, hat im Dezember 2012 in Anwesenheit der Präsidentin Cristina Kirchner die Eröffnung einer Fabrik in Garín gefeiert. Dort werden Grippeimpfstoffe hergestellt. Die Gesamtinvestitionssumme beläuft sich auf 60 Mio. US-Dollar.

Bioökonomie-Strategie

Für ein landwirtschaftlich geprägtes Land bietet die Umstellung der Wirtschaft auf nachwachsende Ressourcen ungeahnte Chancen. Das hat die argentinische Regierung erkannt und in den Jahren 2012 und 2013 verstärkt Anstrengungen unternommen, das Thema Bioökonomie auf die Agenda zu setzen. So wurden beispielsweise zwei Bioökonomie-Symposien durch das  Ministerium für Wissenschaft, Technologie und Produktive Innovation (MINCyT) organisiert, um mit internationalen Experten über die Potenziale der Bioökonomie für Argentinien zu diskutieren. Ruth Ladenheim, im MINCyT für Strategiefragen zuständig, umriss in ihrer Rede 2013 die Pläne zur Entwicklung der Bioökonomie in Argentinien im Rahmen des Nationalplans „Argentina Innovadora 2020“. So sollen zum Beispiel vier Pilotanlagen von Bioraffinerien aufgebaut werden – und zwar in jenen Landesteilen, in denen viel Biomasse produziert wird.

Bioeconomy Roadmap vorgestellt

Im Februar 2013 wurde eine „Bioeconomy Roadmap“ für Lateinamerika vorgestellt, die unter maßgeblicher Mithilfe von Argentinien entwickelt wurde. Sie führt die Ergebnisse dreier Wissenschaft-und-Technologie-(S&T) Kooperationsdialoge zusammen, die die lateinamerikanischen und karibischen Länder (ALC) zuvor mit der Europäischen Union geführt hatten. Das Ziel: Die nationalen Forschungsprogramme der amerikanischen Länder sollten so gestaltet werden, dass eine nahtlose Integration von akademischen und industriellen Partnern dieser Länder in  bilaterale oder biregionale Partnerschaften mit europäischen Ländern ermöglicht wird.

Mehr zur Strategie
www.bioeconomia.mincyt.gob.ar

Bereits auf einem ALC-EU-Treffen in Madrid 2010 wurde eine thematische Arbeitsgruppe unter Federführung von Argentinien und Frankreich geschaffen, die sich explizit mit dem Thema Bioökonomie und Ernährungssicherheit beschäftigt hat. Das erste zählbare Ergebnis war die Erstellung einer Roadmap im März 2011, die langfristig gemeinsame Anträge für Forschungsvorhaben im Rahmen des 8. EU-Forschungsrahmenprogrammes „Horizon 2020“ vorsieht. Koordiniert wird die Zusammenarbeit von INCONET ALCUENET, das noch bis 2016 arbeiten soll.

Um eine Plattform für Akteure der Bioökonomie zu schaffen, wurde das ALCUE-KBBE-Projekt gegründet (América Latina y el Caribe en asociación con Union Europea – knowledge-based bioeconomy), das zum Teil über das 7. Rahmenprogramm der EU mitfinanziert wird. Das Projekt zog viele Stränge zusammen und erarbeitete eine Prioritätsliste für FuE-Anstrengungen. Herausgekommen sind sechs Wege, um die Bioökonomie in den ALC-Ländern gemeinsam mit der EU zu verankern: die nachhaltige Nutzung der Biodiversität, die ökologische Intensivierung (landwirtschaftlicher Praktiken), Entwicklung von Produkten, Werkzeugen und Prozessen der Biotechnologie, Bioraffinierien, Optimierung der Wertschöpfungsketten und schließlich Ökosystem-Dienstleistungen (wie zum Beispiel die Schaffung von Ökotourismusprojekten oder eines Emissionsrechtehandels).

Forschungslandschaft

Im November 2007 wurde das Ministerium für Wissenschaft, Technologie und Produktive Innovation (MINCyT) neu gegründet. Die argentinische Regierung unter Cristina Fernández de Kirchner hat mit der Gründung der Ministerien für Wissenschaft, Technologie und Innovation sowie für Bildung und Kultur im Dezember 2007 die Bedeutung von Forschung und Bildung für die gesellschaftliche Entwicklung nachhaltig gestärkt. Welche Bedeutung die Regierung der Wissenschaft zumisst, wird unter anderem an einem Prestigeprojekt in Buenos Aires deutlich. Seit 2009 baut das Land an einem der Technologie und Wissenschaft gewidmeten Gebäudekomplex, dem Polo Científico-Tecnológico. Anlässlich der Beendigung des ersten Bauabschnitts würdigte Peter Gruss, der Präsident der Max-Planck-Gesellschaft, den Polo als ein Institut von Weltniveau – „dem ersten seiner Art in Südamerika“. Außer dem Wissenschaftsministerium haben auch weitere Forschungsinstitutionen im Polo eine Heimat gefunden: Es gibt eine Forschungseinheit zu Gentechnik und Biotechnologie sowie mit dem Institut für Biomedizinische Forschung das erste Partnerinstitut der Max-Planck-Gesellschaft in Lateinamerika, das in Kooperation mit dem argentinischen Rat für wissenschaftlich-technologische Forschung (CONICET) betrieben wird.

Behörde COINCET koordiniert Großteil der Forschung

Den CONICET gibt es bereits seit 1958. Die Regierungsbehörde koordiniert den Großteil der wissenschaftlichen und technologischen Forschung im Land und wird von einem regierungsunabhängigen Vorstand geleitet. Auch am Budget des Rates kann eine Hinwendung zur Forschung abgelesen werden. Während 2003 insgesamt 236 Mio. US-Dollar zur Verfügung standen, waren es 2013 bereits 2,89 Mrd. US-Dollar. „Innerhalb einer Dekade stieg das Budget also um das zwölffache“, so CONICET-Präsident Roberto Salvarezza im Sommer 2013. Sein Augenmerk liegt aber auch auf dem Technologietransfer, dessen Ausbau in den vorangegangenen Jahren von ihm maßgeblich mitangestoßen wurde.

Mit Blick auf die Pflanzenbiotechnologie gibt es unter anderem Forschungsschwerpunkte zu Kartoffeln am Institut für Genetisches Infenieurswesen des des CONICET sowie zu Orangen an der Universität Buenos Aires. Darüber hinaus gibt es seit 2008 ein für 2 Mio. US-Dollar geschaffenes Zentrum für industrielle Biotechnologie. Es ist angeschlossen an das Instituto Nacional de Tecnología Industrial (INTI) in Buenos Aires. Vor zehn Jahren wurde mit ArgenBio (Consejo Argentino para la Información y el Desarrollo de la Biotecnología) eine gemeinnützige Organisation geschaffen, die sich die Verbreitung von Informationen rund um die Biotechnologie auf die Fahnen geschrieben hat. Sie betreibt die Informationsplattform argenbio.org und das Bildungsangebot porquebiotecnologia.com.ar

Rechtliche und gesellschaftliche Aspekte

Die staatliche Regulierungsbehörde für Medikamente, Lebensmittel und Medizintechnik ANMAT (Administración Nacional de Medicamentos, Alimentos y Tecnología Médica) existiert seit 1992. Das Instituto Nacional de la Propiedad Industrial (INPI) ist für Patentangelegenheiten zuständig. Argentinien ist 1995 dem TRIPS-Abkommen (Trade-Related Aspects of Intellectual Property Rights) beigetreten.

Zulassungsprozedere für gv-Nutzpflanzen vereinfacht

Bereits seit 17 Jahren werden transgene Pflanzen angebaut. Zwischen 1996 und 2012 wurden 27 Sorten für den kommerziellen Anbau zugelassen, darunter 20 Mais-, 4 Soja und 3 Baumwollsorten. Im Frühjahr 2013 erschien eine Broschüre des Ministeriums für Landwirtschaft, Viehwirtschaft und Fischerei (Ministerio de Agricultura, Ganadería y Pesca, MAGyP), welches die Reformanstrengungen des 2010 zugeschnittenen Ministeriums in Bezug auf gentechnisch veränderte Organismen bezeugt. Vor den Reformen mussten Züchter von gv-Pflanzen nach Bestehen der Ernährungssicherheits- und Umweltauswirkungsprüfungen noch eine kommerzielle Zulassung beantragen. Diese erfolgte aber nur dann, wenn die EU jene Pflanze für den Import zugelassen hatte. Aufgrund des sich vergrößernden Handelsvolumens mit Ländern wie China hat Argentinien diese Abhängigkeit von EU-Entscheidungen beseitigt. Damit könne der Zulassungsprozess von fünf bis sechs Jahren auf etwa vier Jahre verkürzt werden, so schätzt Martín Lema, im MAGyP zuständig für Biotechnologie.

Gesellschaftliche Debatten

Argentinien ist Weltspitze, wenn es um den Anteil von gentechnisch veränderten Kulturpflanzen angeht. Lange Zeit herrschte in Argentinien Optimismus, was die Auswirkungen der grünen Gentechnik anbelangt. So stieg das Land zum drittgrößten Sojaproduzenten der Welt auf.  Doch in den vergangenen Jahren mehren sich Anzeichen einer einsetzenden Gentechnik-Skepsis, die aber noch längst nicht das Maß Europas erreicht hat. Seit 1996 wurde vermehrt gv-Soja der US-Firma Monsanto angebaut. Die Pflanzen sind resistent gegen das Unkrautvernichtungsmittel Glyphosat. In den Anfangsjahren konnten argentinische Soja-Bauern reichlich Gewinne einfahren, doch das Geschäftsmodell sollte sich in der Folgezeit als nicht nachhaltig genug erweisen. Statt Glyphosat dosiert einzusetzen, wurde es großflächig per Flugzeug über den Feldern verteilt. Mit den daraus resultierenden Folgen müssen sich sowohl die Soja-Bauern als auch Monsanto derzeit auseinandersetzen.

Zum einen traten in den vergangenen Jahren vermehrt Pflanzen auf, die Resistenzen gegen Glyphosat entwickelt hatten. Auf den fallenden Ertrag antwortet die Landwirtschaft mit neuen Pestiziden, aber auch mit der Wiederentdeckung klassischer Methoden der Resistenzvermeidung wie dem Fruchtfolgeanbau. Zum anderen wird zunehmend deutlich, dass der übermäßige Glyphosateinsatz wohl zu Gesundheitsschäden in der Bevölkerung geführt hat. In einer großen Reportage der Nachrichtenagentur AP im Oktober 2013 werden massive Gesundheitsprobleme in den Sojaanbaugebieten angeführt. Bis zu 12 Millionen Argentinier könnten betroffen sein. Laut der Nichregierungsorganisation Médicos de Pueblos Fumigados („Ärzte der begasten Dörfer“) liegt in der Provinz Sante Fe die Krebsrate zwei bis viermal so hoch wie im Landesschnitt. In der Provinz Chaco weisen Neugeborene viermal so viele schwerwiegende Defekte auf, wie in der Zeit vor dem Aufkommen der Sojaindustrie.

Neben der falschen Anwendung von Glyphosat verdichten sich in den vergangenen Jahren noch dazu die Hinweise, dass das Unkrautvernichtungsmittel weit weniger harmlos für den Menschen ist als gedacht. So kam eine Metaanalyse von Forschern des MIT in Boston zu dem Schluss, dass Glyphosat eine Rolle bei der Entstehung von Diabetes, Alzheimer oder Depressionen haben könnte. Nach Regierungsangaben werden derzeit 317 Millionen Liter Glyphosat ausgebracht. Auf die Anbaufläche gesehen versprühen die Argentinier damit doppelt so viele Pestizide wie die US-Amerikaner. 

Einige Experten warnen daher vermehrt vor der Sojaisierung der argentinischen Landwirtschaft, die soziale, ökonomische und ökologische Probleme bereiten könnte. Neben den direkten Folgen für die Umwelt und Gesundheit im Land könne ein Politikschwenk der Käuferstaaten in Europa und China zu einer wirtschaftlichen Katastrophe führen, so Jorge Lapolla, Agrarökonom, Genetiker und ehemaliger Dozent der Universität Buenos Aires.

Probleme mit Mais-Beizmittel

Neben dem Soja- hat vor allem der Maisanbau in der Vergangenheit an Bedeutung gewonnen. Auch hier ist Monsanto durch eine kommerziell erfolgreiche Sorte in den Fokus der Öffentlichkeit gerückt. Die weit verbreitete Sorte MON810 besitzt die genetische Information, um ein Gift des Bakteriums Bacillus thuringiensis produzieren zu können. Monsanto ist in Argentinien aber nicht wegen der gentechnischen Veränderung, sondern vor allem durch eine spezielle Behandlung der Maissamen in die Kritik gekommen. In einer Fabrik in der Nähe der Hauptstadt Buenos Aires werden die Samen mit Insektiziden gebeizt. Der Vorteil dieser Methode: Die sich aus diesem Samen entwickelnde Pflanze enthält überall zwar verdünnte aber dennoch wirksame Konzentrationen der Gifte. Die Gruppe Red Universitaria de Ambiente y Salud („Universitäres Netz für Umwelt und Gesundheit“) schätzt, dass die Hälfte der für die Beizung eingesetzten Chemikalien Clothianidin ist. Dieses von der Bayer AG hergestellte Insektizid steht im Verdacht, für das massive Bienensterben in Europa mitverantwortlich zu sein. Im Dezember 2013 wird in Europa ein zweijähriges Moratorium für den Gebrauch von Clothianidin und ähnlicher Substanzen inkrafttreten, damit die widersprüchlichen Daten zur Off-Target-Toxizität umfassend geprüft werden können. In Argentinien entspinnt sich hingegen erst eine zaghafte Diskussion dieses Themas.

Internationale Beziehungen

Die Zusammenarbeit von Argentinien und Deutschland hat eine lange Tradition. Im Mai 2013 kamen zum mittlerweile vierten  Mal die beiden für die Wissenschaft zuständigen Ministerien der Länder zu einer Sitzung zusammen. Minister Lino Barañao und Bundesministerin Johanna Wanka führten die Delegationen an. Thema der Tagung der Gemischten Kommission für die Wissenschaftlich-Technologische Zusammenarbeit zwischen der Republik Argentinien und der Bundesrepublik Deutschland war die weitere Entwicklung der viele Jahre währenden bilateralen Kooperation. Auch die Themen Bioökonomie und Biomedizin wurden in zwei eigens dafür zusammengestellten Arbeitsgruppen diskutiert. 2015 ist eine nächste Tagung geplant.

Das MINCyT unterhält auch Beziehungen zu anderen Staaten. So wurde im Oktober 2013 ein Kooperationsprogramm mit Indien unterschrieben. Auch mit Südafrika unterhält Argentinien enge Verbindungen. So wurde 2011 ein bilaterales virtuelles Forschungszentrum zur Nanotechnologie angeschoben, das im Jahr darauf Einreichungen von Forschungs- und Entwicklungsprojekten sowohl akademischer Natur als auch von Unternehmen beider Länder entgegennahm. Barañao versucht auch, engere Bande mit China zu knüpfen. Unter dem Dach des Argentinisch-Chinesischen Zentrums für Wissenschaft und Technologie gibt es bereits laufende Projekte zur Bioökonomie, die sich vor allem auf die Felder Landwirtschaft und Ernährung (Centro Argentino-Chino en Ciencia y Tecnología de los Agroalimentos) beziehen. Von den sechs Projekten beschäftigen sich drei mit Fleischverarbeitung und Lebensmittelsicherheit, drei weitere mit der Verarbeitung pflanzlicher Proteine. Im Sommer 2013 wurden zudem Pläne für ein Technologietransferzentrum zwischen Argentinien und Chinas Hauptstadt Peking verkündet. Der argentinische Minister bot seinem chinesischen Gegenpart Wan auch die Beteiligung an einem Nanotechnologie-Zentrum in Buenos Aires an.

Hintergrund

Stand Dezember 2013

Unternehmen:  ca. 120

Schwerpunkte: Agrarbiotechnologie, medizinische Biotechnologie, Vakzine, Biosimilars

Beschäftigte: ca. 5.000

Biotechnologie-Netzwerk:
ArgenBio

Infos zu Forschung & öffentl. Förderung:

Wissenschafts-und Innovationsministerium

mincyt.gob.ar

Gesetzeslage

Umfangreicher Anbau von gv-Pflanzen

Internationale Kooperationen

www.internationale-kooperationen.de

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