Deutscher Bundestag erlaubt Präimplantationsdiagnostik

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Bei der Schlussabstimmung im Bundestag herrschte reger Andrang an den Wahlurnen: 594 Abgeordnete mussten ihre Stimme abgeben. Quelle: Deutscher Bundestag / Lichtblick/Achim Melde

07.07.2011  - 

Die Präimplantationsdiagnostik (PID) wird in Deutschland in engen Grenzen zugelassen. Das wurde im Deutschen Bundestag nach einer stark emotional geführten Debatte beschlossen. In dritter Lesung sprachen sich 326 Abgeordnete für eine Zulassung der umstrittenen Gentests aus, 260 Bundestagsmitglieder stimmten für ein Verbot, 8 enthielten sich. Künftig soll die PID an speziell zugelassenen Zentren Paaren ermöglicht werden, die die Veranlagung für eine schwerwiegende Erbkrankheit in sich tragen oder bei denen mit einer Tot- oder Fehlgeburt zu rechnen ist.

 

Die Entscheidung hat sich niemand leichtgemacht: Annähernd vier Stunden lang haben die Abgeordneten im Deutschen Bundestag in einer ausführlichen Schlussdebatte um ihre Positionen gerungen. Insgesamt drei verschiedene Vorschläge zur künftigen gesetzlichen Regelung der PID standen zur Abstimmung: generelles Verbot, Verbot mit Ausnahmen und Zulassung in engen Grenzen.

Durchgesetzt hat sich schließlich der Vorschlag, die PID künftig für Paare zu erlauben, die ein Risiko erblicher Krankheiten oder Behinderungen tragen. Die Tests dürfen nur in speziellen Zentren durchgeführt werden, außerdem sind die Eltern vorher eingehend zu beraten und es ist die Zustimmung eines Ethikrates einzuholen. Eingebracht worden war der Vorschlag von einer fraktionsübergreifenden Abgeordnetengruppe um Ulrike Flach (FDP), Peter Hintze (CDU) und Carola Reimann (SPD).

In dieser Folge der Kreidezeit erklären wir, wie durch die PID Krankheiten bei Embryos entdeckt werden können.Quelle: biotechnologie.tv

326 Abgeordnete für Zulassung der PID, 260 dagegen

Bereits vor Wochen waren die drei Entwürfe in erster Lesung beraten worden. Am 7. Juli standen die zweite und dritte Lesung an. Für diese Abstimmung hatte sich der Ältestenrat auf die sogenannte „Stimmzettelwahl“ geeinigt. In einem ersten Schritt wurde über alle drei Gesetzentwürfe abgestimmt. Dabei stimmten 306 Abgeordnete für eine Zulassung der PID, 228 für ein generelles Verbot. Auf den Kompromissvorschlag, der ein Verbot mit Ausnahmen vorsah, entfielen 58 Stimmen. Weil keiner der Entwürfe die Stimmenmehrheit der 594 Parlamentarier erreicht hatte, wurde eine weitere Abstimmung, die dritte Lesung, notwendig. Dort konnten die Bundestagsmitglieder nur noch für die beiden Anträge stimmen, die zuvor die meisten Stimmen auf sich vereint hatten: Eine Zulassung oder ein absolutes Verbot. In der dritten Lesung wurde dann der Entwurf von Flach, Hintze, Reimann und weiteren Abgeordneten angenommen: 326 Abgeordnete stimmten für die Vorlage, 260 lehnten sie ab. Es gab acht Enthaltungen.

Die Befürworter sehen in der PID vor allem die Chance, Leiden zu verhindern. Für einige Paare sei die PID die einzige Möglichkeit, Kinder zu bekommen. „Ein totes Kind ist eine Lebenskatastrophe, die niemals heilt“, sagte Katherina Reiche (CDU). Die Befürchtung, dass es bei der Zulassung der PID zu einem Dammbruch kommen werde, so dass die Methode schließlich regelmäßig eingesetzt wird, teilten die Befürworter der Technik nicht. Jedes Jahr würden wohl nur wenige Hundert Paare die Methode in Anspruch nehmen, lautet ihre Prognose. Dementsprechend forderte FDP-Mitglied Christine Aschenber-Dugnus: „Wir sollten die Chancen der PID nutzen, statt die vermeintlichen Risiken in den Vordergrund zu stellen.“

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Die Gegner der PID-Zulassung um die Abgeordneten Volker Kauder (CDU), Johannes Singhammer (CSU) und  Katrin Göring-Eckardt (Grüne) hatten einen eigenen Antrag formuliert, der auf ein striktes gesetzliches Verbot abzielte. Der Schutzauftrag des Staates gegenüber Menschen mit Behinderung dürfe nicht ausgehebelt werden, lautete eine der Kernbotschaften. Zudem warnten die Kritiker der PID, dass sich die Nutzung der Methode kaum eingrenzen lasse. „Es ist nicht Alarmismus, wenn man die Möglichkeiten der Begrenzung der PID für außerordentlich fraglich hält", sagte Wolfgang Thierse (SPD). Außerdem würde mit der PID eine Auswahl zwischen lebenswertem und unwertem Leben getroffen. Gerade dies sei aber gegenüber Menschen mit Behinderung kaum zu vermitteln. „Krankheit und Behinderung gehören zu unserer menschlichen Existenz“, so Maria Michalk (CDU).

Parlamentarier um Rene Röspel (SPD), Priska Hinz (Grüne) und Patrick Meinhardt (FDP) hatten einen dritten Vorschlag erarbeitet, der als Kompromiss zwischen den beiden anderen Entwürfen galt. Nur wenige Tage vor der Abstimmung wurde der Antrag noch einmal überarbeitet, um weiteren Abgeordneten eine Zustimmung zu erleichtern (mehr...). Auch in diesem Entwurf wurde die PID bis auf wenige genau definierte Ausnahmen verboten. Erlaubt werden sollte sie nur für Paare, bei denen aufgrund genetischer Ursachen „Schwangerschaften in der Regel mit einer Fehl- oder Totgeburt oder dem sehr frühen Tod des Kindes innerhalb des ersten Lebensjahres enden." Röspel, einer der Initiatoren des Entwurfs, sagte dazu vor dem Bundestag: „Wir wollen nicht, dass darüber entschieden wird, ob ein Leben gelebt werden darf. Aber wir akzeptieren die Tatsache, dass im Embryo die Entscheidung bereits getroffen ist, dass er nicht leben kann.“

Die Gesetzesentwürfe

Der Deutsche Bundestag bietet die Gesetzesentwürfe, die zur Abstimmung standen, als Bundestagsdrucksache zum Download an.

eng begrenzte Erlaubnis: hier klicken

generelles Verbot: hier klicken

Verbot mit Ausnahmen: hier klicken

Neuregelung wurde nach BGH-Urteil nötig

Die gesetzliche Neureglung wurde nach einem Urteil des Bundesgerichtshof vom 6. Juli 2010 notwendig (mehr…). Damals hatte das Gericht entschieden, dass die PID durch das Embryonenschutzgesetz nicht verboten sei und vom Gesetzgeber eine Neuregelung gefordert. Damit wurde eine große gesellschaftliche Debatte in Gang gesetzt, in denen Verlauf der Diskussion sich beispielsweise der Deutsche Ethikrat (mehr…) oder die Wissenschaftsakademien (mehr…) für eine Zulassung der Technik aussprachen. Zu den Kritikern der PID gehörten Kirchenvertreter, wie der Vorsitzende der Deutschen Bischofskonferenz, Robert Zollitsch, oder Bürgerverbände wie die Aktion Lebensrecht für Alle (ALfA).

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