Länger leben mit FOXO3A

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Wer eine bestimmte Variation im FOXO3A-Gen trägt, hat ein gute Chance, das Leben bis ins hohe Alter zu genießen. Quelle: Gerda Bruske

04.02.2009  - 

Als amerikanische Forscher im vergangenen Herbst Hinweise auf ein mögliches Langlebigkeits-Gen fanden (PNAS, 2. September 2008, Online-Vorabveröffentlichung), war in der Presse schon vom "Methusalem-Gen" die Rede. Allerdings hatten die Wissenschaftler nur eine kleine Gruppe an japanischstämmigen Greisen untersucht. Repräsentativ und wissenschaftlich wasserdicht waren die Ergebnisse nicht. Das haben Forscher um Stefan Schreiber am Institut für Klinische Molekularbiologie  der Universität Kiel jetzt nachgeholt und in der Fachzeitschrift Proceedings of the National Academy of Sciences bestätigt: Die Variation im Gen FOXO3A trete auffällig oft bei sehr alten Menschen über 100 Jahren auf und beeinflusse vermutlich weltweit positiv die Lebenserwartung. Die Entdeckung könnte helfen, den Prozess des Alterns weiter zu entschlüsseln.





Die Kieler Altersforscher sahen sich zunächst mit einem besonderen Problem konfrontiert. "Am schwierigsten ist es, für solch eine Studie hochbejahrte Teilnehmer zu gewinnen, insbesondere 100-Jährige", sagt Friederike Flachsbart vom Institut für Klinische Molekularbiologie der Universität Kiel. Der Aufwand lohnt sich offenbar aber. "Interessanterweise sind die genetischen Effekte bei 100-jährigen Personen deutlicher zu sehen als bei 95-jährigen". Dabei mussten die Kieler Wissenschaftler nicht von Null anfangen. Sie profitierten von der schleswig-holsteinischen Biodatenbank Popgen, in der unter anderem mehr als 660 DNA-Proben von 100-Jährigen verwahrt sind - eine der größten Erbgut-Sammlungen Hochbetagter weltweit (mehr...).

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Ob Japaner oder Deutscher, FOXO3A lässt alle gleich gut altern

Daraus entnahmen die Kieler Forscher 388 Proben und verglichen sie mit der DNA von 731 jüngeren Menschen.  Mit der deutschen Stichprobe und mit unterstützenden Untersuchungen in Frankreich sei der Zusammenhang zwischen FOXO3A und Langlebigkeit nunmehr bestätigt und auch für Frauen festgestellt worden, schreiben die Forscher in dem PNAS-Artikel. Die amerikanischen Kollegen um Bradley J. Willcox hatten sich im vergangenen Herbst noch auf mehr als 95 Jahre alte amerikanische Männer japanischer Herkunft beschränkt. Es fehlten jedoch Untersuchungen bei anderen Bevölkerungsgruppen. Der neue Befund sei von besonderer Bedeutung, weil Japaner und Europäer genetisch relativ unterschiedlich sind, erläutert die Leiterin der Kieler Forschungsgruppe "Gesundes Altern", Almut Nebel. "Jetzt können wir davon ausgehen, dass dieses Gen für das Erreichen eines hohen Alters wahrscheinlich weltweit eine Rolle spielt."

Dr. Friederike Flachsbart und Prof. Almut Nebel vom Kieler Institut für Klinische Molekularbiologie untersuchten die genetischen Proben von Hundertjährigen.Lightbox-Link
Dr. Friederike Flachsbart und Prof. Almut Nebel vom Kieler Institut für Klinische Molekularbiologie untersuchten die genetischen Proben von Hundertjährigen.Quelle: Sandra Ogriseck


Im Körper erfüllt FOXO3A mehrere wichtige Aufgaben. Es ist unter anderem daran beteiligt, dass sich alte oder beschädigte Zellen selbst zerstören. Falls dieses Gleichgewicht zwischen Zerstörung und Neuentstehung allerdings gestört wird, kann Krebs entstehen, So ist FOXO3A auch an einer Form von Leukämie beteiligt.

FOXO3A ist zudem zuständig für die Herstellung eines Proteins, das die Wirkung von Insulin beeinflusst. Insulin ist hauptsächlich für die Aufnahme von Zucker in die Zelle verantwortlich, es wirkt jedoch auch positiv auf den Fett- und Aminosäure-Stoffwechsel. Das durch Störungen dieser Prozesse Erkrankungen wie Diabetes mellitus und Arteriosklerose, Herzinfarkte und Schlaganfälle auftreten können, wird FOXO3A ein schützender Einfluss zugesprochen, der für die Langlebigkeit verantwortlich sein könnte.

Das Gen ist schon im Visier der genetischen Altersforschung, seit es in den 90er Jahren in den Modellorganismen Fadenwurm Taufliege als altersrelevant beschrieben wurde. Aufgrund dieser Erkenntnisse beschäftigt sich die Kieler Forschungsgruppe am Institut für Klinische Molekularbiologie schon seit längerem mit den menschlichen Varianten des Gens.

Erhalt der Gesundheit bis ins hohe Alter

Um dem Geheimnis des Alterns in seiner Gesamtheit auf die Spur zu kommen, reicht aber die Identifizierung eines einzigen Gens sicherlich nicht aus. Das wissen auch die Wissenschaftler. Denn: Altern ist ein komplexer Prozess aus Veränderungen im Stoffwechsel, den Mechanismen der Zellreparatur und der sich wandelnden Bedeutung von Gen-Netzwerken. FOXO3A könnte allerdings ein Baustein dafür sein, den "Phänotyp des gesunden Alterns zu verstehen", wie es Nebel nennt. Gelinge dies, würde "perspektivisch die Medizin grundlegend neu definiert; ausgerichtet auf Krankheitsprävention, Erhalt der Gesundheit bis ins hohe Alter".

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