Biopolymere: Werkstoffe mit vielen Facetten

Nicht nur für künstlerische Zwecke geeignet: Biopolymere genügen mittlerweile härtesten Anforderungen und können etwa als medizinische Implantate oder Wirkstofffähren eingesetzt werden. <ic:message key='Bild vergrößern' />
Genügen nicht nur künstlerischen Ansprüchen: Biopolymere besitzen neuartige Eigenschaften und können etwa als medizinische Implantate oder Wirkstofffähren eingesetzt werden. Quelle: Bayern Innovativ GmbH

29.11.2012  - 

Biokunststoffe sind nicht einfach nur Ersatz für erdölbasierte Produkte. Stattdessen lassen sich aus den biobasierten Polymeren Hightech-Werkstoffe mit ganz neuen Eigenschaften entwickeln. Dem Einsatzspektrum solcher Produkte sind kaum Grenzen gesetzt: Textilindustrie, Medizin, sogar die Erdölindustrie verlässt sich inzwischen auf die grünen Kunststoffe. Beim  Kooperationsforum Biopolymere in Straubing am 20. November tauschten sich 270 Experten aus Industrie und Wirtschaft über die neuesten Trends aus.

Für die Industrie gewinnen Biokunststoffe zunehmend an Bedeutung. Immer mehr Anbieter drängen auf den Markt, um die steigende Nachfrage zu bedienen. Im vergangenen Jahr konnten sie in ihren Anlagen bis zu 1,16 Millionen Tonnen der unterschiedlichsten biobasierten Kunststoffe herstellen. Bis 2016 werde es ein Vielfaches mehr sein, sagte Hans-Josef Endres vom Institut für Biokunststoffe und Bioverbundwerkstoffe der Hochschule Hannover. Auf bis zu 5,78 Millionen Tonnen könnte die installierte Produktionskapazität steigen, rechnete der Experte auf dem Kooperationsforum Biopolymere vor. Ausgerichtet wurde die Tagung von Bayern Innovativ, der vom Freistaat Bayern finanzierten Gesellschaft für Innovation und Wissenstransfer.

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Flächenverbrauch der Bioplastik-Produktion gering

Vor allem in Asien und Südamerika werden viele neue Fabriken gebaut – was nicht bei jedem auf ungeteilte Freude stößt. Umweltverbände und Nichtregierungsorganisationen warnen immer wieder davor, dass der Anbau von nachwachsenden Rohstoffen wertvolle Flächen für die Lebensmittelwirtschaft blockiere (mehr…). Dieser „Tank oder Teller“-Diskussion versuchte Endres mit nüchternen Zahlen zu begegnen: Weltweit gebe es derzeit rund 14 Millionen Quadratkilometer landwirtschaftlich nutzbarer Fläche. Um die für das Jahr 2016 prognostizierten 5,78 Millionen Tonnen Bioplastik herzustellen, müssten 11.500 Quadratkilometer davon mit den entsprechenden Rohstofflieferanten bepflanzt werden – weniger als 1 Promille der Gesamtfläche.

Die Bioplastik-Hersteller selbst nehmen die Sorgen der Umweltverbände offenkundig ernst. Patrice Perret vom französischen Unternehmen Arkema beispielsweise versicherte, sein Unternehmen nutze die Samen der Ricinus-Pflanze als Biomasse-Lieferanten. „Wir stehen damit nicht in Konkurrenz zur Lebensmittelproduktion. Der Strauch wächst auf nährstoffarmen, halb-trockenen Böden.“ Die aus dem Ricinusöl hergestellten Polyamide werden später zum Beispiel von den großen Sportartikelherstellern verarbeitet. In Laufschuhen soll die Faser beim Abrollen des Fußes zunächst Energie absorbieren, um beim nächsten Schritt einen Großteil wieder abzugeben und den Läufer so maximal unterstützen.

Spinnenseide soll Implantat-Nebenwirkungen lindern

In der Medizin könnten biobasierte Polymere künftig ebenfalls eine größere Rolle spielen. So wussten beispielsweise schon die alten Griechen um die Vorzüge von Spinnenseide zur Wundbehandlung. Warum die Spinnenseiden-Produktion dann aber außer Mode kam, erläuterte Thomas Scheibel von der Universität Bayreuth: „Spinnen sind Kannibalen, sie fressen sich gegenseitig. Eine großangelegte Zucht wird so unmöglich.“ Der Mitbegründer der Firma Amsilk hat daher andere Organismen, welche die Seidenproteine für ihn herstellen: Bakterien. Die Mikroben produzieren einzelne Bausteine, die sich später zu Fäden oder Vliesen verspinnen lassen (mehr…). Ein mit Spinnenseide ummanteltes Brustimplantat solle demnächst die Marktreife erreichen, kündigte Scheibel an. Die um das Silikonkissen gewickelten Seidenfäden verringern das Risiko, dass der menschliche Körper das Implantat einkapselt. Diese schmerzhaften Kapselfibrosen machen bisher immer wieder eine neue Operation nötig, bei der das Implantat ausgetauscht wird.

Im vollbesetzten Rittersaal im Herzogenschloss von Straubing informierten sich Experten über das riesige Spektrum an Einsatzmöglichkeiten von Biopolymeren.Lightbox-Link
Im vollbesetzten Rittersaal im Herzogenschloss von Straubing informierten sich Experten über das riesige Spektrum an Einsatzmöglichkeiten von Biopolymeren.Quelle: Bayern Innovativ GmbH

Thomas Heinze von der Universität Jena will ebenfalls biobasierte Polymere für den Einsatz in der Medizin fit machen. Der Chemiker arbeitet an winzigen Zuckermolekülen, die eines Tages Wirkstoffe direkt bis in die Zelle tragen könnten. Der Plan: Die Polysaccharid-Nanopartikel werden mit einem kleinen Verbindungsstück ausgestattet, an welches später besonders einfach Wirkstoffe gehängt werden können. „Die Nanopartikel werden in die Zelle aufgenommen“, so Heinze. Auch der Abbau der winzigen Moleküle sei in der Zelle denkbar – entsprechende Versuche stehen aber noch aus. „Solche Systeme könnten künftig für eine zielgerichtete Krebstherapie eingesetzt werden“, glaubt Heinze. Bis es soweit ist, sei aber noch viel weitere Arbeit nötig.

Biopolymere für die Erdölindustrie

Bereits Realität ist ein Biopolymer-Projekt der BASF AG, dass darauf abzielt, die Förderung von Erdöl zu verbessern. Sebastian Briechle präsentierte in Straubing das sogenannte Schizophyllan-Projekt. Dessen Herzstück ist ein von Waldpilzen hergestelltes und abgesondertes Biopolymer namens Schizophyllan, das dazu genutzt wird, um Wasser künstlich zu verdicken (mehr…). Die zähflüssige Brühe wird anschließend in Erdöllagerstätten gepumpt, um den Druck zu erhöhen und so mehr Öl aus dem Speichergestein zu pressen. Schon bald soll ein erster großer Feldversuch starten. Ob sich die anvisierten Produktionssteigerungen von 20 Prozent tatsächlich erreichen lassen, wollen die Explorationsexperten von BASF und dem Kooperationspartner Wintershall in den nächsten zwei Jahren erkunden.

© biotechnologie.de/bk

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